Date oder warmes Zuhause? Deutsche streichen Ausgaben für kostenpflichtige Dating-Apps

data.ai hat die Branche genau unter die Lupe genommen. Top 10: Klassiker Tinder nach wie vor am beliebtesten, Bumble holt auf.

Der kalte Novemberwind weht vielen Menschen derzeit auch in finanzieller Hinsicht entgegen: Hohe Heizkosten, gestiegene Preise für Benzin und Lebensmittel – die Inflation hat Deutschland fest im Griff. In dieser schwierigen Gesamtwirtschaftslage ist es nicht verwunderlich, dass auch der App-Sektor nicht dagegen immun ist. Dies trifft insbesondere bei Anwendungen aus dem Freizeitbereich zu. Die Daten- und Analyseexpert:innen von data.ai haben die Branche genau unter die Lupe genommen und liefern in ihrem "Recession Report" spannende Erkenntnisse über die Konjunktur und das digitale Konsumverhalten in Deutschland in der Krise.

Gegen den internationalen Trend

Es ist ein soziales Grundbedürfnis, sich mit anderen Menschen auszutauschen und zu connecten. Insbesondere nach über zwei Jahren Pandemie möchten viele wieder mehr Zeit mit Anderen verbringen und neue Leute kennenlernen. Kein Wunder also, dass Social-Media-Apps, die Verbraucher:innen miteinander verbinden, sich grundsätzlich gerade in einer Boomphase befinden. So weisen sie in der ersten Hälfte des Jahres 2022 die höchsten In-App-Ausgaben von Konsument:innen vor.

Dieser Höhenflug findet jedoch nicht bei der digitalen Partnersuche statt. So sind die In-App-Ausgaben bei Dating-Apps jene, die in Deutschland am stärksten gesunken sind. Interessant ist, dass für Kund:innen in anderen Ländern die Jagd nach der großen Lieben einen höheren Stellenwert zu haben scheint. Denn der deutsche Trend unterscheidet sich deutlich vom globalen Markt, bei dem das Online-Dating-Geschäft um bis zu 30 Prozent wuchs und letztes Jahr mehrere Milliarden umsetzte.

Sind Deutsche sparsame "Date-Muffel"?

Sind die Menschen in Deutschland also sparsame "Date-Muffel"? Oder könnten die Gründe, dass in Deutschland derzeit weniger auf digitales Kennenlernen zurückgegriffen wird, eher in den wiedergewonnenen Alternativen liegen? Schließlich sind Bars und Clubs nach der Pandemie endlich wieder geöffnet und die Menschen können von ihren virtuellen Treffpunkten abweichen. Der erste Schritt kann nun erneut offline getätigt werden und zieht somit weniger digitale Investitionen nach sich.

Viele der zahlungspflichtigen Funktionen der populärsten Dating-Apps veranlassen, dass User:innen möglichst lange auf der App verweilen. Bei Tinder gibt es für solche Zwecke die Möglichkeit, sich unbegrenzte Likes zu ergattern. Äußerst begehrt ist auch die "Tinder Passport-Funktion", welche als Teil des Plus- und Gold-Abonnements den Nutzer:innen erlaubt, ihre Likes überall auf der Welt zu verteilen. Da die finanzielle Belastung durch steigende Preise in Deutschland jedoch aktuell die größte Aufmerksamkeit auf sich zieht, reicht den Benutzer:innen das kostenlose Online-Dating Erlebnis völlig aus. Mit genügend Reserven und geheizten Räumen durch den Winter zu kommen, ist dann doch wichtiger als ein (eventuell mittelmäßiges) erstes Date.

Digitale Krisengewinner: Welche Kategorien sich in der Inflation behaupten

Wie in jeder stürmischen Wirtschaftslage gibt es auch aktuell Branchen, die in der Krise wachsen. Im App-Sektor konnten insgesamt fünf Arten von Apps ein Wachstum der Konsumentenausgaben im ersten Halbjahr 2022 verzeichnen. Die unangefochtene Nummer eins sind mit einem Zuwachs von 30 Millionen US-Dollar Kurzvideo-Apps. Dazu zählen die aktuellen Dauerbrenner TikTok und Instagram.

Mit OTT-Apps gehört auch die zweitbeliebteste Art von Apps der Kategorie "Entertainment" an. OTT steht für "over the top" und meint eine Übermittlung von sowohl kostenpflichtigen als auch kostenlosen Video- und Audioinhalten, die direkt über das Internet verbreitet werden. Hierzu gehören beispielsweise Netflix oder Disney+. Auch sie kommen mit einem Ausgabenplus von rund 18 Millionen US-Dollar gut in das neue Halbjahr. Auf Platz drei, vier und fünf folgen mit ungefähr gleich hohen Zuwächsen von ca. fünf Millionen US-Dollar Audio Books, Dokumentenverwaltungsapps und Fitnessprogramme.

Die Konsument:innen in Deutschland scheinen also ihr Geld vorrangig für digitale Unterhaltung auszugeben, wie sich insbesondere an den Zuwächsen im Videostreamingbereich zeigt. Das verfügbare Budget wird demnach gerne genutzt, um von der harten Realität beispielsweise mit einem Film oder einer Serie zu flüchten. Die weiteren Ausgaben deuten vor allem auf einen Wunsch nach praktischem Nutzen hin. Apps zur alltäglichen Organisation oder zur sportlichen Motivation bieten den Nutzer:innen ebenso einen nützlichen Mehrwert. Diese Bereiche scheinen den Menschen in Deutschland also derzeit wichtiger zu sein als das Onlinedating.

Bumble auf Tinders Fersen

Nach rechts wischen, für "Ja", nach links wischen, für "Nein". Mit diesem einfachen Prinzip hat Tinder Dating-Apps weltweit bekannt gemacht. In Deutschland ist der Begriff "tindern" für die Nutzung von digitalen Dating-Anwendungen allgegenwärtig. Daher verwundert es nicht, dass Tinder mit fast 600.000 Downloads auch in den vergangenen Monaten die beliebteste Dating-App Deutschlands war.

Allerdings liegt der Konkurrent Bumble mit mehr als 500.000 Downloads inzwischen dicht dahinter. Die 2014 gegründete App wirbt damit, dass sie neben Dating auch zur freundschaftlichen und beruflichen Kontaktaufnahme genutzt werden kann. Außerdem müssen bei Bumble anders als bei Tinder, Frauen den ersten Schritt machen. Die Zukunft wird zeigen, ob dieses Konzept dazu führt, Marktführer Tinder zu verdrängen.

Top 10 Dating-Apps in Deutschland
© data.ai

Auf den Plätzen 3, 4 und 5 folgen mit ähnlichen Downloadzahlen von jeweils über 200.000 die Apps Lovoo, Badoo und Hinge. Lovoo und Badoo versuchen mit vergleichbarem Konzept wie Tinder zu überzeugen – der unverbindlichen Kontaktaufnahme. Hinge hingegen hat sich zum Ziel gesetzt, zwar ebenfalls eine junge Zielgruppe anzusprechen, jedoch jene, die Interesse an einer langfristigen Beziehung haben. Interessant ist auch, dass Hinge bereits einige etablierte Apps wie OkCupid und Parship hinter sich gelassen hat, obwohl die Anwendung erst seit Mai 2022 in Deutschland verfügbar ist.

Fazit: Comeback für Kontaktaufnahme im "Reallife"

Insgesamt scheint, dass mit dem Ende der Pandemie viele Menschen die wiedergewonnene Freiheit für die Kontaktaufnahme im "Reallife" nutzen und so der Bedarf an Dating-Apps gesunken ist. Durch die derzeitige Wirtschaftskrise wird diese Entwicklung weiter verstärkt, da die Haushaltseinkommen bei vielen gezielter für essenzielle Ausgaben eingesetzt werden.

Dating-Apps scheinen in der Rezession also keine große Priorität zu haben. Krisengewinner hingegen sind vor allem in den Bereichen Unterhaltung und nützlicher Tools zu finden. Bei den Dating-Apps selbst kann Tinder zwar noch seine Vormachtstellung behaupten, aber insbesondere Bumble ist dicht dran am Marktführer.

www.data.ai

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