Taugt Australiens Mediengesetz als Vorbild?

| Natalie Oberhollenzer 
| 13.10.2022

In Down Under müssen Google und Facebook seit 2021 Gebühren an Verlage zahlen. Die Medienbranche profitiert bereits, wie eine erste Bestandsaufnahme zeigt

Im Februar 2021 kam es in Australien zu einem Meilenstein in Sachen digitaler Gesetzgebung. Nach zähen Verhandlungen verabschiedete die Regierung in Canberra ein neues Mediengesetz, das Verlage dazu berechtigt, Tech-Konzerne wie Google und Facebook zur Kasse zu bitten.

Seitdem sieht der "News Media and Digital Platform Mandatory Bargaining Code“ vor, dass große Internet-Plattformen Geld an Medienverlage bezahlen, wenn sie deren Inhalte auf ihren Seiten verbreiten. Der Einigung ging ein langer Streit voraus, indem Facebook zuletzt sogar seine Dienste auf dem Kontinent abgeschaltet hatte. Nachdem beide Seiten Abstriche gemacht hatten, wurde das Gesetz schließlich vom Senat verabschiedet.

Nicht nur die Großen kassieren

Nun müssen die Tech-Firmen mit den Verlagen über Lizenzabgaben verhandeln. Denn auf Drängen von Facebook wurde das Gesetz stark abgesoftet. Der Staat selbst hat wenig Durchsetzungsvermögen. Die Verhandler sind selbst für den Abschluss von Geschäften verantwortlich. Nur eine Arbitrage-Komission schreitet ein, wenn es zu keiner Einigung kommt.

Kritiker befürchteten zunächst, dass nur große Medienkonzerne, wie der in Australien marktbeherrschende Riese News Corp. von Rupert Murdoch, profitieren würden. Doch die Sorge scheint unberechtigt. Mittlerweile hat etwa Facebook mit rund 200 Verlagen aller Größenordnungen in "Down under" Verträge abgeschlossen. Umgerechnet 130 Millionen Euro hätten Medienunternehmen bis Oktober 2021 von den Tech-Plattformen bereits erhalten, heißt es in einem Report vom australischen Judith Neilson Institute for Journalism and Ideas. Zahlreiche Verlage berichten von Gewinnzuwächsen. Zig neue Arbeitsplätze für Journalisten seien entstanden. Der Markt für angehende Journalisten sei so gut wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Weltweiter Präzedenzfall

Aber: Es handle es sich bei der neuen Regulierung auch um ein verwässertes und undurchsichtiges Chaos, heißt es von direkt Beteiligten. Einige Unternehmen seien immer noch außerstande mit den Big-Tech-Firmen in Verhandlung zu treten. Weil das Gesetz intransparent sei, und teils weil sie gar nicht wüssten, mit welchen Summen-Vorschlägen sie in Verhandlung gehen sollten.

Jedenfalls ist Australien Präzedenzfall, wenn es um die Frage geht, wie digitale Märkte und Dienste künftig reguliert oder zur Kasse gebeten werden. In der EU und in Ländern den USA, Großbritannien und Kanada sind ähnliche Gesetze angedacht. Vertreter dieser Regionen beobachten gespannt, sie sich die Situation in Australien entwickelt.

Markets and Services Act in der EU

In der EU, wo die Problematik bis dato vielfach nur unter den Gesichtspunkten des Urheberrechts diskutiert wurde, wurden im Dezember 2020 zwei Entwürfe veröffentlicht. Der Markets Act behandelt die Frage, wie die Marktmacht der Big Tech-Firmen beschnitten werden könne. Im Services Act geht es um die Regulierung der Macht der Konzerne über Inhalte.

Ziel der Entwürfe ist es einerseits, der krisengebeutelten Zeitungsbranche unter die Arme greifen. Ihre Werbeeinnahmen sind seit 2009 in der EU um mehr als die Hälfte geschrumpft.

Maßnahmen gegen Desinformation

Andererseits möchte man mit neuen Transparenz-Standards für Daten auch eine Handhabe gegen Manipulation und Desinformation im Netz schaffen.

Dass in der Sache Handlungsbedarf besteht, veranschaulicht folgender Vergleich eines Berichts des britischen Institute for Strategic Dialogue: Von Januar bis April 2020 erzielte eine Gruppe von 34 rechten Websites, die Fake News über Covid-19 verbreitete, 80 Millionen Interaktionen auf Facebook. Sämtliche Links zu den Websites der WHO und der Centres for Disease Control and Prevention dagegen erhielten "nur“ zwölf Millionen Interaktionen.

www.infrastructure.gov.au

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