Thomas Middelhoff bei Arcandor, Richard Fuld bei Lehman Brothers oder Jeffrey Skilling bei Enron – diesen CEOs, die maßgeblich für große Unternehmensskandale verantwortlich sind, unterstellt man häufig, Psychopathen zu sein. Das Bild des Ungetüms in Nadelstreifen zieht sich durch Filme, Medienberichte und auch durch akademische Forschung. Ein Forscher der WU Wien hat sich jetzt angesehen, was an dem Vorurteil tatsächlich dran ist.
Psychopathischer als der Bevölkerungsdurchschnitt
Günter K. Stahl vom Institute for International Business der WU Wien hat mit seinen Ko-Autor:innen Milda Zilinskaite und Stephan Döring sechs für historisch große Betrugsfälle bekannte CEOs für die Studie "Psychopathy in the C-Suite: Myth or Reality?" auf den Prüfstand gestellt: Jeffrey Skilling (Enron), Bernard Ebbers (WorldCom), Dennis Kozlowski (Tyco International), Richard Fuld (Lehman Brothers), Calisto Tanzi (Parmalat) und Thomas Middelhoff (Arcandor). Mit Ausnahme von Richard Fuld sind alle rechtskräftig verurteilt worden. Mehrere dieser Personen erhielten einige der höchsten Strafen, die jemals für Wirtschaftskriminalität verhängt wurden und verbüßten zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Studie noch immer ihre Strafe.
Mittels der Psychopathy Checklist-Revised (PCL-R), eines Standardinstruments zur Bewertung psychopathischer Eigenschaften, zeigt Stahls Studie, dass die Werte der CEOs über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegen – aber unter der diagnostischen Schwelle für Psychopathie.
Die dunkle Triade: Machiavellismus, Narzissmus und Psychopathie
Zusätzlich untersucht die Studie, ob eine "dunkle Triade" vorliegt. Darunter versteht man drei Persönlichkeitsmerkmale: Machiavellismus, Narzissmus und Psychopathie. Die Ergebnisse zeigen bei allen sechs CEOs machiavellistische Tendenzen und bei zwei von ihnen stark narzisstische Züge.
Die Studie kann bei den untersuchten Personen keine Hinweise auf "dunkle" Verhaltensmuster in der Kindheit oder Jugend nachweisen. Außerdem scheinen sich die dunklen Tendenzen auf den beruflichen Bereich zu beschränken. Dies schließt die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung aus und wirft die Frage auf, welche Rolle das Unternehmen bei der Ausprägung dunkler Persönlichkeitsmerkmale spielt.
Systemisches Fehlverhalten
Eine eingehende Untersuchung der ethischen Infrastrukturen der sechs Unternehmen vor und zu Beginn der Amtszeit dieser CEOs zeigt ineffektive interne Unternehmensführung, falsch ausgerichtete Anreizsysteme, fehlende Verhaltensregeln, dysfunktionale Unternehmenskulturen und einen Konformitäsdruck des Top-Management-Teams. Das lässt darauf schließen, dass das Fehlverhalten gewissermaßen systemisch war.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es eine bidirektionale und interaktive Beziehung zwischen der Persönlichkeit des CEO und dem Unternehmen gibt: Mangelnde ethische Infrastruktur kann die Ausprägung dunkler Tendenzen im Verhalten der Vorstandsvorsitzenden begünstigen – und diese Tendenzen können die ethische Infrastruktur weiter schwächen und das Unternehmen anfällig für Fehlverhalten machen.
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Wie effizient sind die Kontrolleure, Aufsichtsrat etc.? oder auch sierig und gierig?
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