US-Präsidentschaftsrennen
Attentat auf Donald Trump: Mögliche Folgen für Wahlkampf, Börse und Gesellschaft

| Redaktion 
| 14.07.2024

Der gescheiterte Mordanschlag auf den ehemaligen – und womöglich baldigen – US-Präsidenten war weltweit das große Thema des Sonntags. Was könnte der Vorfall für die ohnehin verhärteten Fronten in den Vereinigten Staaten, den Ausgang der Wahl im November und die Märkte bedeuten?

Als Donald Trump am Samstagabend (US-amerikanischer Zeit, hier früher Sonntag) auf einer Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pennsylvania spricht, eröffnet der 20-jährige Thomas Matthew Crooks vom Dach eines etwa 130 Meter von der Bühne entfernten Gebäudes das Feuer aus einem halbautomatischen Gewehr. Trump wird von einem Projektil am Ohr getroffen und geht zu Boden; im Publikum stirbt ein Mensch. Ein weiterer wird verletzt. Während sich Personenschützer vor den Präsidentschaftskandidaten werfen, wird Crook von Scharfschützen erschossen.

Nachdem sich der nach wie vor von Security-Personal abgeschirmte Trump aufgerichtet hat, bittet er um einen kurzen Moment, um sich dem Publikum verhältnismäßig gesund präsentieren zu können und ballt mehrfach die Faust in die Luft. Während er zu einem Wagen eskortiert wird, ruft er der inzwischen laut "USA“ skandierenden Menge mit blutverschmiertem Gesicht dreimal entschlossen "Fight!“ zu und verschwindet im Auto aus dem Blickfeld der Kameras. Hier ist der ganze Wahlauftritt in Butler zu sehen; die Schüsse ereignen sich etwa bei 8:20 Minuten:

Zahlreiche Staatsoberhäupter haben in den Stunden danach Entsetzen und Genesungswünsche ausgesprochen. Trump wurde ins Krankenhaus von Butler eingeliefert und flog wenig später mit einem Privatflugzeug nach New Jersey weiter, wo er die Nacht in einem seiner Golfclubs verbracht hat. In einem Social-Media-Statement dankte er dem Secret Service und allen Exekutivorganen für ihren schnellen Einsatz und sprach den Angehörigen des getöteten und des verletzten Mannes aus der Menge sein Mitgefühl aus.

Was bedeutet das für den Wahlkampf?

Im aktuellen US-Wahlkampf ging es seit der TV-Debatte fast ausschließlich um das Alter und den Gesundheitszustand des demokratischen Kandidaten Joe Biden. Nun ist das Attentat auf Donald Trump das erste auf einen (ehemaligen) US-Präsidenten, seit Ronald Reagan im März 1981 nach einer Rede in Washington, DC angeschossen und lebensgefährlich verletzt wurde.

Es gibt keine festen Regeln zum Überleben von Anschlägen und bislang auch keine repräsentativen Umfragen, die entsprechende Entwicklungen belegen würden – man darf jedoch mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass Trump von den jetzt schon als ikonisch gehandelten Bildern profitieren wird.

Zwei Fotografien haben besonders viel Aufmerksamkeit erregt: Doug Mills von der New York Times ist es geglückt, eine hinter Donald Trump vorbeizischende Kugel (womöglich die, die ihn verletzt hat) auf seinem Bild einzufangen. Evan Vucci von der Associated Press gelang dagegen ein Schnappschuss, den wir in den folgenden Wochen und Monaten vermutlich noch häufiger sehen werden: Trump von schräg unten, blutend und mit geballter Faust vor einer amerikanischen Flagge.

Das Wahlkampfteam des 45. Präsidenten sollte in den kommenden Wochen leichtes Spiel haben; die Narrative schreibt sich beinahe von selbst: Auf der einen Seite ein gebrechlicher Mann, der eigenen Angaben nach nur zwischen 10 und 16 Uhr topfit ist oder Selenskyj als Putin ankündigt – auf der anderen ein unerschütterlicher Kämpfer, der einem Kopfschuss um wenige Millimeter entgeht und ab Montag bereits wie geplant am Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee, Bundesstaat Wisconsin, teilnehmen will.

Dass Trump dort offiziell zum Kandidaten für die Wahl im November gekürt wird, scheint dingfester denn je. Natürlich kann in vier Monaten einiges passieren; viele Beobachter gehen nichtsdestotrotz davon aus, dass ihm der Butler-Vorfall mit einiger Sicherheit ebenso zu einer abermaligen Amtszeit verhelfen wird. Die Wirkung der Bilder, die beide Kandidaten derzeit erzeugen, ist nicht zu unterschätzen und kann die Bedeutung von Inhalten gerade bei bislang unentschlossenen Wählern überwiegen.

Vorwürfe und Verschwörungstheorien

Im Internet kursieren Schilderungen von Anwesenden in Butler, die den späteren Schützen bewaffnet beim Erklimmen eines Dachs gesehen und die Ordnungsbehörden darauf hingewiesen haben wollen. Es gibt Aufnahmen von Thomas Matthew Crooks auf dem Dach, ehe die Schüsse fallen; er ist Personen vor Ort also vorab als verdächtig aufgefallen. Dennoch ist es nicht zu einem Zugriff gekommen.

Dabei handelt es sich möglicherweise um eine eklatante Missachtung durch die zuständigen Sicherheitskräfte; im wünschenswerten Fall werden dahingehende Untersuchungen mehr Klarheit schaffen. Wenig überraschend werden Unstimmigkeiten wie diese von Hardlinern beider politischen Lager allerdings für eigene Theorien und Anschuldigungen zulasten der jeweiligen Gegenseite genutzt.

So beschuldigt etwa der umstrittene Publizist Alex Jones den sogenannten Deep State, der einen unliebsamen Gegner ausschalten wollte. Donald Trump Jr., Sohn des Ex-Präsidenten, suggerierte mit seiner Wortwahl in sozialen Medien derweil, dass er die politische Linke in der Verantwortung sieht. Dem gegenüber steht der vielfach in Kommentarspalten geäußerte Verdacht, dass es sich um ein von der Trump-Seite inszeniertes PR-Spektakel handeln könnte. Eine Entspannung im Diskurs? Derzeit zumindest nicht konkret absehbar.

Starker Dollar und sichere Häfen

Unterdessen berichtet die WirtschaftsWoche, dass von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen eine spürbare Auswirkung des Vorfalls auf die Märkte der Welt erwarten. "Die Marktreaktion auf eine Präsidentschaft Trumps zeichnete sich bisher durch einen stärkeren US-Dollar und eine steilere Zinskurve bei US-Staatsanleihen aus. In der kommenden Woche könnten wir etwas davon sehen, wenn seine Wahlchancen nach diesem Vorfall als verbessert eingestuft werden“, wie Rong Ren Goh von Eastspring Investments spekuliert.

"Wir werden wahrscheinlich am Montagmorgen einige Zuflüsse in sichere Häfen sehen“, wird Nick Twidale, ein leitender Analyst bei ATFX in Sydney, ebenfalls über Reuters vom Manager Magazin zitiert. Investoren dürften sich vor allem für Gold, Dollar, Yen und als sicher geltende Staatsanleihen interessieren.

"Die kommende Wahl wird wahrscheinlich ein Erdrutschsieg. Das verringert wohl die Unsicherheit für die Märkte“, denkt Nick Ferres, Chefinvestor bei Vantage Point Asset Management in Singapur, unterdessen. Er erinnert daran, dass "Reagan nach seinem Attentat in den Umfragen um 22 Punkte gestiegen“ und Trump in seiner ersten Amtszeit bereits sehr "marktfreundlich“ gewesen sei. Seinerzeit stieg der US-Aktienindex S&P 500 um knapp 40 Prozent.

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