Am Sonntag sind Besucher zum letzten Mal in diesem Jahr über die Leipziger Buchmesse, den wichtigsten Frühjahrstreff der Branche, geschlendert. Wenn die vor Ort vorgestellten Werke veröffentlicht werden, dürfen sich Literaturbegeisterte darauf verlassen, dass sie für ein neues Exemplar überall in Deutschland den gleichen Kaufbetrag entrichten müssen – eine Sicherheit, die der Buchpreisbindung zu verdanken ist.
Diese bereits 1888 erdachte Maßnahme sorgt dafür, dass Verlage für jedes auf den Markt gebrachte Werk einen Verkaufspreis festsetzen müssen, der nicht veränderbar ist. Ob es sich um den neuen Bestseller von Stephen King oder ein Sachbuch in geringer vierstelliger Auflage handelt: Beide Bücher werden in jeder deutschen Stadt, von der kleinen Handlung auf der Straßenecke bis zur Multimedia-Kette, jeweils zum selben Preis verkauft.
Was spricht für die Buchpreisbindung?
Der Buchpreisbindung liegt der Gedanke zugrunde, dass Bücher durch ihren elementaren Beitrag zur Meinungsbildung eine kulturelle Sonderstellung einnehmen. Zu den größten Befürwortern der Regelung gehören Buchhandlungen selbst, da vor allem kleinere Vertreter durch den ausbleibenden Preiskampf mit wirtschaftlich hochgerüsteten Wettbewerbern in ihrer Existenz geschützt werden. Entsprechende Verkaufsstellen sind wiederum wichtig für weniger große Verlage, die in der Thalia-Auslage oder auf der Amazon-Startseite meist keine prominente Plattform finden.
Darüber hinaus sind es häufig unabhängige Buchhandlungen, die Literaturinteressierte durch Lesungen und vergleichbare Events zusammenführen oder im Rahmen von Bildungsmaßnahmen mithelfen – kulturellen Einfluss machen Fürsprecher der Buchpreisbindung deshalb auch im Zeitalter der voranschreitenden Digitalisierung recht glaubhaft geltend. Viele Beobachter sehen die Vielfalt im allgemeinen Bücherangebot vor allem dank der Regelung gegeben.
"Wir leben von unseren Stammkundinnen und Stammkunden. Deren Loyalität würde sicherlich hart auf die Probe gestellt werden, wenn bei der großen Buchhandelskette keine 100 Meter weiter der neue Bestseller plötzlich günstiger wäre", gibt der Coburger Buchhändler Martin Vögele gegenüber ZDF Heute zu bedenken. "Wir kämpfen schon heute dagegen an, dass viele glauben, Bücher seien online oder in der Filiale einer Kette zwangsläufig günstiger, weil sie es von anderen Konsumgütern so gewohnt sind."
Was spricht gegen die Buchpreisbindung?
Trotz dieser nachvollziehbaren Vorteile für Verlage und Buchhandlungen ist die Buchpreisbindung keinesfalls unumstritten. Mit den Befürwortern eint viele Gegner der Regelung zumindest, dass die Aussicht auf wirtschaftliche Vorteile die Basis ihrer Argumentation bildet.
Ein Big Player wie zum Beispiel Thalia hätte sicherlich keine Einwände, gefragte Bücher zu günstigeren Preisen als andere Anbieter zu verkaufen und sich dadurch womöglich einen rentablen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Rabatte und Werbeaktionen ließen sich ebenfalls deutlich flexibler gestalten. Gern wird in diesem Zusammenhang zudem darauf verwiesen, dass Endverbraucher von einem Preiskampf profitieren und Bücher ohne entsprechende Verpflichtung günstiger angeboten werden würden.
Auf etwas grundsätzlicherer Ebene dürften sich vor allem liberale Hardliner an dem unverhohlenen Eingriff in die freie Marktwirtschaft stören. Auch die Monopolkommission (ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung) fällt seit Jahrzehnten durch eine ablehnende Haltung zur Buchpreisbindung auf; zuletzt sprach sie sich 2018 für ihre Abschaffung aus. Nicht erst seitdem befassen sich immer wieder Gutachten aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der Regelung, deren Wegfallen das Kulturgut Buch nach Ansicht der Kommission nicht gefährden würde.
Der Blick ins Ausland
Eines dieser Gutachten wurde vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Auftrag gegeben und vom Ökonom Georg Götz an der Justus-Liebig-Universität in Gießen zusammen mit weiteren Forschenden bearbeitet. Dabei haben die Verantwortlichen die Situation in der Bundesrepublik mit Nationen verglichen, die die Buchpreisbindung bereits in die Geschichtsbücher verbannt haben.
Gegenüber ZDF Heute stellt Svenja Hagenhoff, Buchwissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, dazu fest: "Die Ergebnisse der Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass sich beispielsweise die Buchpreise in Großbritannien seit Abschaffung der Preisbindung Ende der 90er fast verdoppelt haben und die Zahl der Buchhandlungen dort drastisch zurückgegangen ist".
Ihrer Meinung nach funktioniere das Instrument, weshalb kein plausibler Handlungsbedarf vorliegt. "Die Buchpreisbindung ist effektiv und tut, was sie soll. Alle anderen denkbaren Maßnahmen, wie direkte Subventionen, wären sehr viel schwerwiegendere Eingriffe". Nicht zuletzt dank breiter Rückendeckung im Bundestag scheint das letzte Kapitel der Buchpreisbindung also längst noch nicht geschrieben zu sein.
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