Vice Deutschland muss schließen
Tim Geyer: "Wir hätten gerne für euch weitergemacht"

Schon im letzten Jahr musste das US-amerikanische Team von Vice in die Insolvenz; die Zukunft der Marke selbst hängt in der Schwebe. Nun steht fest, dass die Tage des Deutschland-Ablegers im Zuge der notwendigen Sanierungsarbeiten in jedem Fall gezählt sind.

Erst sah es beim Online- und Print-Magazin Vice brenzlig aus... und dann kam Corona. Nach der vergeblichen Suche eines geeigneten Käufers meldete das 1994 ursprünglich in Kanada gegründete Medium im vergangenen Mai schließlich Insolvenz an, wodurch die Zukunft der internationalen Ableger jeweils mit dicken Fragezeichen versehen worden ist. Zumindest bezüglich der Bundesrepublik herrscht inzwischen Klarheit: Hierzulande wird Vice im März eingestellt.

Chefredakteur Tim Geyer verkündete das Aus der seit 2022 von ihm verantworteten Vice Deutschland am Mittwochmorgen in einem knappen Statement auf X (ex-Twitter). Ende März sei es für die Redaktion, die gerne weitergearbeitet hätte, vorbei. Ins Leben gerufen wurde die deutsche Vice-Variante bereits 2005, seitdem befand sich der Sitz stets in Berlin. Trotz des ausgedrückten Bedauerns stellt Geyer stolz fest: "Kein anderes deutsches Medium hat so konsequent gezeigt, wie guter Journalismus für junge Menschen geht."

Distanzlosigkeit als Trumpf

Grundsätzlich steht die Publikation inhaltlich für Pop- und Subkultur, gesellschaftliche Themen, Kunst oder Politik, wobei Themen für ein tendenziell jugendlich-adoleszentes Publikum aufbereitet werden. Neben Artikeln auf der eigenen Homepage oder in einem anzeigenbasierten Printheft wird Vice ebenso mit Videobeiträgen assoziiert, die Szenefremden häufig einen nahbaren Eindruck verschiedenster Lebensentwürfe präsentieren.

Die vielerorts als distanzlos empfundene Berichterstattung hat zum polarisierenden Charakter der Vice beigetragen, durch einen gewissen Fokus auf Sexualität und Drogen aber gerade in den späten Nuller- und frühen Zehnerjahren unverkennbar den Nerv der Zeit getroffen.

Aktuell auf der Homepage der Deutschland-Ausgabe präsentierte Themen sind beispielsweise "Ich habe mit 20 Typen in einem Jahr geschlafen, stimmt etwas nicht mit mir?", "Wir haben mit Menschen gesprochen, die viel Geld mit NFTs verloren haben", "Warum der Staat dir 120.000 Euro schenken sollte" oder "Ecstasy: Das sind die Pillenwarnungen für Dezember".

Der dpa gegenüber soll Tim Geyer erklärt haben, dass zwischen 40 und 50 Mitarbeiter von der Schließung in Berlin betroffen sein werden. Angaben aus einem FAZ-Artikel zum zehnjährigen Bestehen zufolge war die Zahl der Beschäftigten anno 2015 noch fast dreimal so hoch. Ehe es ab April keinen deutschsprachigen Vice-Content mehr gibt, soll der Abschied im März mittels einer letzten, gedruckten Ausgabe möglichst würdig genommen werden.

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV