LEADERSNET: Wer sich in der Walderlebniswelt bewegt, merkt nicht, dass Sie Integrationsbetrieb sind. Wie geht das?
Alexander Unold: Genau das ist unser Ansinnen. Besucher:innen sollen es gar nicht merken, dass wir Menschen mit Behinderungen und gleichgestellte Menschen integrieren. Wir machen mit dem Interview eine große Ausnahme, aber eigentlich darfst du über Integration überhaupt nicht sprechen, wenn du sie leben möchtest. Unser Gedanke der Integration ist: Alle sind so gut integriert, dass sie Teil eines großen Ganzen sind. Als gemeinnützige GmbH ist es nicht nur unser Auftrag, als Integrationsbetrieb Menschen mit Behinderungen und gleichgestellte Menschen zu integrieren, sondern auch ein echtes Herzensanliegen.
LEADERSNET: Ein Herzensanliegen auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch ein Thema von Führung?
Alexander Unold: Auf jeden Fall. Es braucht eine klare Struktur, damit ein Integrationsbetrieb funktioniert. Diese Strukturen haben wir geschaffen, in dem wir Teamleader:innen gesucht und gefunden haben, die ihrer Rolle in höchstem Maße gerecht werden. Die Teamleader:innen sind im Unternehmen beruflich und persönlich gewachsen – und bringen einen langen Geduldsfaden mit. Denn klar ist: Integration ist am Anfang immer schwer.
LEADERSNET: Was bedeutet das genau?
Alexander Unold: Alle gleich zu machen, wird nie funktionieren. Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen – da nehme ich keinen unserer Mitarbeitenden aus. Das hat zur Folge, dass wir neben Örtlichkeiten beispielsweise auch Dienstpläne umbauen müssen. Unser Credo ist: Jeder Mitarbeitende soll das bekommen, was er/sie braucht, um ihre/seine Stärken zu leben. Sobald du es schaffst, die Talente jedes einzelnen Mitarbeitenden zu finden, damit sie voll ausgelebt werden können, hast du es geschafft. Schwächen werden so zur Nebensache.
LEADERSNET: Wie viel Verständnis braucht es untereinander?
Alexander Unold: Sehr viel. Wenn das Verständnis fehlt, macht es keinen Sinn. Nur ein Beispiel: Als eine gehörlose Mitarbeiterin neu ins Unternehmen eingetreten ist, wunderten sich Kolleg:innen immer, warum diese Mitarbeiterin nie reagiert hat, wenn sie angesprochen wurde. Was dabei kaum einer bedacht hat: Wer gehörlose Mitarbeiter:innen von hinten anspricht, kann schlichtweg keine Reaktion erwarten, weil er nicht im Blickfeld ist und nicht gesehen wird. In solchen Fällen braucht Führungspersönlichkeiten, die aufklären und vermitteln.
LEADERSNET: Sind Menschen mit Behinderungen ein verstecktes Potenzial, das Unternehmen nicht gut genug nutzen?
Alexander Unold: Absolut. Viele Firmen scheuen sich derzeit noch davor, Menschen mit Behinderungen und gleichgestelle Menschen einzustellen, weil die Einarbeitung länger als gewöhnlich braucht. Die Kluft ist groß, es gibt viele Berührungsängste. Dabei wird vergessen, dass Menschen mit Behinderungen und gleichgestellte Menschen Gold wert sind, wenn sie ihre Stärken ausspielen können.
LEADERSNET: Wie sind Ihre Strukturen gewachsen?
Alexander Unold: Wir haben Schulungsangebote, außerdem greifen wir auf das Angebot von Unternehmen zurück, die in Inklusionsthemen beraten. Zudem tauschen wir uns mit anderen Betrieben aus und sammeln Erfahrungen hier in der Walderlebniswelt
LEADERSNET: Drei Top-Tipps, um ein guter Integrationsbetrieb zu sein?
Alexander Unold: 1. Mut, 2. Geduld, 3. Freude
LEADERSNET: Warum die Freude?
Alexander Unold: Wenn du das Unternehmen (um)strukturierst, wenn du Betriebsprozesse optimierst, wenn du Mitarbeiter:innen forderst und förderst – und dann siehst: Es funktioniert! Das macht einfach Spaß…
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