Es war ein Auftakt für die Berlin Fashion Week, wie ihn wohl niemand erwartet hat: Am Montag machten Aktivist:innen von "The Yes Men" in Zusammenarbeit mit der Clean Clothes Campaign mit einer öffentlichkeitswirksamen Guerilla-Performance auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen in Textilfabriken aufmerksam.
"Bekleidungsarbeiterin" als neue Co-CEO
Die Aktion begann mit der erstaunlichen Ankündigung von Adidas, kühne neue Pläne des Unternehmens vorzustellen: Arbeitsrechte sollen Priorität bekommen und ab jetzt geschützt werden. Angekündigt wurde auch die Absicht zur Ernennung der ehemaligen Bekleidungsarbeiterin und Gewerkschaftsführerin "Vay Ya Nak Phoan" (Der Name bedeutet "Bekleidungsarbeiter" auf Khmer – Anm. d. Red.) aus Kambodscha zur Co-CEO neben Bjørn Gulden, der seit dem 1. Januar die Leitung des Unternehmens übernahm.
"Phoan" soll dabei vor allem die ethische Verantwortung von Adidas im Blick behalten. Ihr erster Schritt im Amt war die Unterzeichnung der Vereinbarung 'Pay Your Workers', ein von Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen entwickelter Vorschlag zu Löhnen, Abfindungen und Vereinigungsfreiheit.
"Own the Reality" statt "Own the Game"
Am Montag wurde eine Pressemitteilung von der Domain adidas-group.com.de verschickt, in der das Adidas-Motto "Own the Game" durch "Own the Reality" ersetzt wurde. Sie enthielt Links zu einem Foto von Gulden und "Phoan", die scheinbar die Vereinbarung "Pay Your Workers" unterzeichnen und sich verpflichten, die systemischen Probleme des Lohn- und Abfindungsdiebstahls und der Zerschlagung von Gewerkschaften anzugehen.
Nach den Berichten über den Streich am Montag besuchten zahlreiche Modebegeisterte eine schockierende "Adidas"-Modenschau im Rahmen der Berliner Modewoche. Die Einführung der neuen Bekleidungslinie "suffering-forward Realitywear" sollte die Notlage der Adidas-Arbeiter:innen in den Produktionsländern widerspiegeln. Jedes Kleidungsstück wurde angeblich sechs Monate lang von kambodschanischen Textilarbeiter:innen getragen, um einen wahrhaft verzweifelten Look zu erzielen.
Und in der Tat betraten die Models – gezeichnet von blauen Flecken, Schürfwunden und Brandnarben – in löchrigen T-Shirts zu Jacken umfunktionierten Shorts kurz daruaf den Laufsteg und boten den Anwesenden eine eindrückliche Performance.
Nicht nur Kritik sondern auch Chance
"Wir geben uns als mächtige Personen aus, um sie zu demütigen – dafür, dass sie schlimme Dinge tun", erklärt "The Yes Men"-Aktivist Mike Bonanno die Beweggründe für die Guerilla-Aktion, gegenüber der Berliner Zeitung. Dieses Ziel dürfte die Aktion auf jeden Fall erreicht haben.
Doch Bonanno hofft, dass das Ganze etwas nachhaltigere Folgen nach sich zieht: Nämlich, dass Adidas die Aktion nicht nur als Kritik, sondern vor allem als Chance begreife und unter dem neuen CEO Bjørn Gulden einen Neustart wagen: "Das Motto von Adidas ist: 'Unmöglich ist nichts'. Es wird Zeit, dass sie dem nachkommen." Bisher hat sich der Konzern zu der Aktion und der darin geäußerten Kritik nicht zu Wort gemeldet.
www.theyesmen.org
www.adidas.de
www.fashionweek.berlin
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