Begehrter Neuling
Airbus A321 XLR: Der neue Hoffnungsträger der Luftfahrtbranche

| Redaktion 
| 18.06.2024

Dieses Flugzeug mischt die gesamte Luftfahrtbranche auf. Der hochgerüstete Airbus A321-XLR schafft es von Europa bis in die USA oder nach Indien. Für deutsche Passagiere eröffnen sich damit völlig neue Möglichkeiten. Die Lufthansa hingegen könnte Grund zur Sorge haben.

Der Airbus A321-XLR ist schon jetzt ein Verkaufsschlager: 496 Exemplare sind fest bestellt, zahlreiche Optionen kommen hinzu. Kunden wie Iberia, Wizz Air oder Indigo warten sehnsüchtig auf die Auslieferung. Der europäische Luftfahrtkonzern Airbus verspricht, dass die Baureihe rechtzeitig zur Luftfahrtmesse im britischen Farnborough, die am 22. Juli beginnt, zugelassen sein wird. Schon bald könnten die ersten Jets in den regulären Flugbetrieb gehen, wie das Handelsblatt berichtet.

Iberia als Erstkunde plant Großes

Erstkunde Iberia, Teil der britisch-spanischen IAG-Gruppe, hat mit dem XLR viel vor. Das Angebot an Direktverbindungen soll ausgebaut werden. Zunächst sollen Flüge von Madrid nach Boston und Washington aufgenommen werden – wenn alles klappt, schon im dritten Quartal dieses Jahres. Laut spanischen Medien stehen auch Ziele wie Atlanta, Orlando, Charleston und Philadelphia auf dem Plan. Darüber hinaus wird über Verbindungen zu Flughäfen in Lateinamerika nachgedacht.

Reichweite wie Großraumjets

Iberia ist ein Beispiel dafür, wie dieses Modell die gesamte Branche umkrempeln könnte. Auch deutsche Fluggäste könnten davon profitieren. Der Airbus A321-XLR ist im Kern ein Mittelstreckenflugzeug mit einem Gang in der Mitte. XLR steht für "Extra Long Range“. Mit Zusatztanks schafft das Flugzeug Strecken von bis zu 8700 Kilometern. Zum Vergleich: Der Standard-Airbus A321neo bewältigt rund 6850 Kilometer.

Das Flugzeug kann Strecken bedienen, die bisher Großraumjets wie die Boeing 747 und 787 oder die Airbus-Modelle A380 und A350 vorbehalten waren. Zwar bietet der XLR mit seinen 180 bis 220 Sitzen weniger Kapazität, doch das kann auch ein Vorteil sein: Die Flugzeuge sind schneller zu füllen. Airlines können damit Direktflüge von kleineren Flughäfen abseits der großen Drehkreuze anbieten. Hierzulande könnten Flughäfen wie Berlin, Hamburg oder Düsseldorf neue Langstreckenverbindungen bekommen.

Chancen für Berlin

Wirtschaftsvertreter in Ostdeutschland forderten in einem Brief der Industrie- und Handelskammern an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein breiteres Angebot an Langstreckenflügen ab Berlin. Bei der Lufthansa stießen sie bislang auf taube Ohren. Doch die Chancen steigen, dass Berlin die lang ersehnten Direktverbindungen nach Nordamerika bekommt. Air Canada, ein enger Partner von Lufthansa, hat XLR-Jets bestellt. Die ersten drei Flugzeuge werden im kommenden Jahr erwartet.

Bis zur Pandemie flog Air Canada Rouge im Sommer direkt von Berlin nach Toronto. Nun wird offenbar erwogen, diese Verbindung wieder aufzunehmen – wahrscheinlich mit dem neuen Airbus. Das geht aus einer Netzwerkkarte in einer Investorenpräsentation Anfang Mai hervor.

Wizz Air: von Wien nach Indien

Auch die US-Billiggesellschaft JetBlue könnte Berlin als Ziel für die bestellten XLR-Jets in Betracht ziehen. Derzeit fliegt JetBlue mit dem Airbus A321neo LR von New York nach London. Für die Strecke nach Berlin reicht die Reichweite dieser Variante jedoch nicht aus. Doch das Interesse an Zielen in Deutschland ist erkennbar. Über ein neues Codeshare-Abkommen mit British Airways bindet JetBlue bereits jetzt Berlin, Frankfurt und München in ihr Netz ein.

Auch Strecken von Europa nach Osten werden mit dem neuen Airbus möglich. Wizz Air aus Ungarn plant, mit den bestellten XLR-Jets Wien mit Indien zu verbinden. Der Billigfluganbieter Indigo will mit dem neuen Jet europäische Ziele anfliegen.

Lufthansa bleibt skeptisch

Nur ein Unternehmen teilt die Begeisterung für das kleinere Langstreckenflugzeug nicht: die Lufthansa. Konzernchef Carsten Spohr sieht in der eigenen Gruppe keine ausreichend große Nische für dieses Modell. "Für uns mit unseren Verbindungen und den hohen Kosten gibt es nur sehr wenige Strecken, auf denen wir die Long Range einsetzen könnten“, sagte er Anfang Juni bei einer internen Mitarbeiterversammlung in Seoul. Eine weitere Teilflotte in den "Fuhrpark“ aufzunehmen, lohne sich nicht.

Das sieht nicht jeder im Konzern so. Jens Bischof, Chef des Lufthansa-Ablegers Eurowings, betonte mehrfach das Potenzial des neuen Jets – sowohl der bereits verfügbaren Variante LR als auch des XLR. Er hält es für denkbar, damit Ziele in Asien und Afrika anzufliegen. Doch derzeit steht das Modell auf keiner Bestellliste des Konzerns.

Das dürfte nicht nur an angeblich fehlenden geeigneten Verbindungen liegen. Spohr wird auch versuchen, die eigenen Drehkreuze zu schützen. Konzernmarken wie Lufthansa Airlines, Swiss, Austrian Airlines und Brussels Airlines leiten ihre Langstreckenflüge über die eigenen Hubs. Dort werden die Großraumflugzeuge mit Passagieren von Zubringerflügen gefüllt.

Zwar weiß Spohr, dass die XLR-Pläne der Konkurrenten ein Angriff auf dieses Konzept sind. "Einige unserer Wettbewerber werden vielleicht mit der A320 Long Range in unsere Catchments reingehen“, sagte er in Seoul. Doch an seiner Skepsis gegenüber dem XLR-Einsatz bei Lufthansa ändert das nichts: "Umgekehrt funktioniert das für uns nicht.“

Gefahr für das Geschäftsmodell der Lufthansa

Dabei könnte der hochgerüstete Airbus A321-XLR eine Gefahr für das Geschäftsmodell der Lufthansa darstellen. Im vergangenen Jahr stammten knapp 60 Prozent der Nettoverkehrserlöse von 26,7 Milliarden Euro aus Passagierflügen von und zu Zielen außerhalb Europas.

Zahlen zum Profit auf der Langstrecke veröffentlicht der Konzern zwar nicht, doch klar ist, dass Lufthansa vor allem auf den Fernverbindungen Geld verdient. Spohr betonte mehrfach die hohe Rendite auf Strecken nach Nordamerika.

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