"Ich dachte die mit den Flugtaxis sind größenwahnsinnig, aber wir mussten einfach investieren"

Frank Thelen ist bekannt für seine leidenschaftliche Vision, innovative Ideen in die Realität umzusetzen. Als Mitgründer und Geschäftsführer mehrerer erfolgreicher Start-ups und Autor hat er seine Spuren in der deutschen und internationalen Tech-Szene hinterlassen. Heute haben wir das Privileg, einen Blick hinter die Kulissen seines außergewöhnlichen Werdegangs zu werfen und von seinen Einsichten zu profitieren.


Wir werden erfahren, wie er Hindernisse überwunden hat, welche Erkenntnisse er aus seinem reichen Erfahrungsschatz zieht und welche Visionen er für die Zukunft hat. Derzeit fokussiert sich Thelen auf Investitionen in Technologie-Start-ups und leitet einen eigenen Fonds, der in disruptive Technologien investiert.

LEADERSNET: Beginnen wir mit etwas Einfachem. Können Sie mir ein wenig erzählen, was Sie gerade tun?

Frank Thelen: Ich darf mit herausragenden Köpfen an wirklich großen Themen arbeiten: Energie, Mobilität, Krebsforschung, Internet aus dem All – wir konzentrieren uns mit Freigeist (Anm. seine Venture Capital Firma) auf europäische Deep-Tech Unternehmen. Lilium leistet Pionierarbeit in der Luftfahrt, Kraftblock ermöglicht mit seinem Energiespeicher die Dekarbonisierung vieler Industrien, und Endurosat demokratisiert wertvolle Daten aus dem All. Meine Aufgabe ist es, diese großartigen Unternehmer mit meiner langjährigen Erfahrung und meinem Netzwerk zu unterstützen – in allen Bereichen von Produktentwicklung, über Fundraising bis hin zum Vertrieb und Marketing. Wir verfolgen bei Freigeist einen klaren Hands-On-Ansatz und gehen sehr tief in die Unternehmen rein. Ich arbeite jeden Tag an der Front unserer Portfolio-Unternehmen.

LEADERSNET: Sie blicken auf eine erfolgreiche berufliche Karriere zurück. Wie kam es dann dazu von privaten Investments sich ebenso auf börsengenhandelte Fonds zu fokussieren?

Frank Thelen: Unsere Investments im Seedstage Bereich bringen langsam größere Gewinne zurück und ich war auf der Suche nach einem Weg, einen Teil davon intelligent am Aktienmarkt anzulegen. Hierfür wollte ich mir ein Team aus Physikern, Biologen und Technologieexperten aufbauen, das disruptive Technologien wirklich fundiert bewerten kann, um gemeinsam mit diesem Team meine Erfahrungen aus dem Venture Capital Bereich auf den Aktienmarkt zu übertragen. Daraus entstand dann die Idee, diesen Ansatz auch Privatanlegern zu öffnen. Heute bieten wir mit 10xDNA vier Technologie-Fonds an.

LEADERSNET: Wirft man einen Blick auf die Statistik junger Unternehmen, so scheitern viele dieser. Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler, die von jungen Start-ups gemacht werde? Ebenso gibt es enorme Schwankungsbreiten der Renditen, welche Venture Capital Fonds erzielen. Wie unterscheiden Sie sich dabei als Investor von anderen VC-Fonds?

Frank Thelen: Es warten enorm viele Herausforderungen und Hürden auf Start-ups auf dem Weg zum Erfolg. Findet man seinen Produkt-Market-Fit, finden sich Partner für wichtige Pilotprojekte, ist das Team gut aufgestellt, ist die Finanzierung bis zum nächsten Meilenstein gesichert, der dann eine weitere Finanzierungsrunde ermöglicht? Bei all diesen Fragen unterstützen wir mit Freigeist. Unser intensiver operativer Support ist das, was uns von anderen VC-Fonds unterscheidet und weshalb wir bei uns im Portfolio eine überdurchschnittliche Überlebensrate haben. Wir haben selber viele Tech-Unternehmen gegründet, kennen die Risiken und helfen unseren Gründern dabei, auch durch die herausfordernden Zeiten zu navigieren.

LEADERSNET: Welche aktuellen Entwicklungen beobachten Sie im Techsektor? Viele Techwerte mussten herbe Verlusten in den vergangenen Monaten hinnehmen und auch Ihr Fonds, welcher in börsengehandelte Titel investiert, blieb dabei nicht verschont. Was haben Sie daraus gelernt?

Frank Thelen: Der Startzeitpunkt unseres ersten Fonds war schlecht. Aber wir machen kein Markt-Timing. Wir investieren langfristig in herausragende Unternehmen und Technologien. Im ersten Halbjahr konnten wir die Stärken unserer Strategie zeigen. Da sich besonders kleine und mittlere Tech-Werte bisher kaum erholt haben, schaue ich auch sehr zuversichtlich auf die zweite Jahreshälfte. Unsere Unternehmen liefern starke Zahlen, selbst in diesem Zinsumfeld. Ich habe gelernt, dass kurzfristig die Fed Märkte stärker bewegt als gedacht und man Durchhaltevermögen braucht.


Frank Thelen und Elon Musk

Frank Thelen wird gerne mal mit Elon Musk verglichen - beide sind Pioniere in der Tech-Welt  - Thelen selbst hält diesen Vergleich jedoch für alles andere als angemessen. - Foto beigestellt © Frank Thelen


LEADERSNET: 
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in ein Flugtaxi-Startup wie Lilium zu investieren? Was hat Sie an dieser innovativen Transportlösung besonders gereizt? Wie sehen Sie die Zukunft der urbanen Mobilität und wie kann Lilium dazu beitragen? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG)? Was trägt Ihr Unternehmen dazu bei?

Frank Thelen: Ich weiß noch genau, wie ich damals das Pitchdeck von Lilium auf einem Flug nach Berlin überflogen habe und mir dachte: Die sind doch größenwahnsinnig. Aber irgendwas an dem Gründerteam hat mich gepackt und das Pitchdeck war wirklich gut strukturiert, deshalb habe ich es an unseren CTO weitergeleitet und ihn gebeten, sich die Berechnungen anzusehen. Alex hat ein sehr breites physikalisches und elektrotechnisches Grundwissen und ich vertraue seinen Einschätzungen. Als er bestätigte, dass dieses Projekt wirklich abheben kann, mussten wir einfach investieren. Natürlich sind elektrisch betriebene Flugtaxis nicht das Allheilmittel der Mobilitätswende, aber sie können einen wichtigen Teil dazu beitragen, Emissionen einzusparen und urbane Regionen zu entlasten. Wir investieren mit Freigeist grundsätzlich nur in Unternehmen, die einen positiven Impact auf unseren Planeten haben. Bei 10xDNA haben wir uns ebenfalls dazu verpflichtet, jedes Unternehmen auch in Hinblick auf seine ESG-Kriterien zu bewerten. Wir investieren nur in Unternehmen, hinter deren Mission wir stehen und deren Werte wir mittragen.

LEADERSNET: Sehen wir derzeit eine Neudefinition von Energie mit saubereren und billigeren Systemen, die die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen beenden werden? Wie werden wir enden, wie lange wird es dauern? Wie machen wir die Energiesysteme widerstandsfähiger und sauberer?

Frank Thelen: Wir machen zwar Fortschritte im Ausbau erneuerbarer Energien, aber es fehlt aktuell noch an den nötigen Speichern und intelligenten Netzen, um die Volatilität auszugleichen. Bis zur vollständigen Energiewende ist noch einiges zu tun. Wann dies gelingt, hängt vor allem von politischen Faktoren ab. Aber ja – ich bin zuversichtlich, dass wir dank des technologischen Fortschritts irgendwann genug saubere und sichere Energiequellen haben werden – durch Solar, Wind und perspektivisch auch durch Kernfusion.

LEADERSNET: Sie waren ebenso als eigenständiger Unternehmer überaus erfolgreich. Gleichzeitig standen Sie in der Kritik, sei dies aufgrund Ihres politischen Engagements oder mit Ihrer Rolle bei „Die Höhle der Löwen“. Welche Erfahrung hat Sie das gelehrt? Sind Mitmenschen oft mehr am Misserfolg als am Erfolg anderer Menschen interessiert?

Frank Thelen: Bei meiner medialen Bekanntheit bleiben Kritiker natürlich nicht aus. Es muss auch nicht jeder meine Meinung teilen, im Gegenteil – wir sollten wieder mehr in den Diskurs gehen. Was mich ärgert, sind Menschen, die bewusst Tatsachen verdrehen oder blind Narrative bespielen, die sich gut klicken. Ich habe gelernt, diese Clickbait Kommunikation einfach zu ignorieren.

LEADERSNET: Was würden Sie sagen, ist eine Eigenschaft, die Sie haben, die es Ihnen ermöglicht hat, dieses Geschäft aufzubauen. Waren Sie schlauer als andere oder arbeiteten Sie härter. Was würden Sie sagen? (wie etwa: Ich habe wirklich diese Fähigkeit, die es mir und anderen Menschen ermöglicht, dies zu tun und andere Menschen können es nicht so gut)

Frank Thelen: Eine meiner wichtigsten Eigenschaften im Laufe meiner Karriere war, dass ich immer wieder aufgestanden bin. Ich hatte keinen geradlinigen Werdegang, bin vom Gymnasium geflogen, habe mein Studium abgebrochen und mein erstes Unternehmen sauber vor die Wand gefahren. Aber ich habe das große Glück, in der Technologie und dem Unternehmensaufbau meine Passion gefunden zu haben. Deshalb bin ich immer wieder aufgestanden und hatte nie ein Problem damit, hart zu arbeiten. Im Gegenteil – es fällt mir noch heute sehr schwer, mal abzuschalten. Meine Partner würden wahrscheinlich sagen, dass mein größtes Talent darin besteht, komplexe Sachverhalte einfach herunterzubrechen und schnell zu durchblicken.

LEADERSNET: Was wissen Sie heute über Tech-Sektor, Start-ups und Investments, was Sie gerne bereits vor 30 Jahren  darüber gewusst hätten, als Sie damit angefangen haben?

Frank Thelen: Die Idee und das Produkt können noch so gut sein – wenn der Markt noch nicht bereit dafür ist, ist die Mission zum Scheitern verurteilt. Vor dieser Herausforderung stand ich selber damals mit doo, einem intelligenten Dokumenten-Managementsystem. Wir waren leider 10 Jahre zu früh dran und mussten einen Pivot (Anm. ein Startup beschließt, sein Geschäftsmodell zu ändern) machen. Heute ist das Team mit Scanbot sehr erfolgreich, aber hätte ich früher gesehen, dass der Markt unser Produkt nicht annehmen wird, hätte ich mir einige lange Nächte im Büro erspart. Das ist inzwischen auch ein wichtiges Kriterium bei unseren Investments: Gibt es – zumindest in absehbarer Zeit – einen Product-Market-Fit?

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