"Hier schlagen Truckerherzen höher“

| Dagmar Zimmermann 
| 20.07.2023

Ein Lkw-Sicherheitsparkplatz der ganz besonderen Art – das hat Gerhard Hauptstein an der A9 bei Vockerode zwischen Leipzig und Berlin geschaffen. Ein Projekt, das visionär ist. Warum, sagt der bayrische Unternehmer aus Oberhaching im Interview mit LEADERSNET.

LEADERSNET: Herr Hauptstein, wer an den Autobahnen Deutschlands entlangfährt, sieht vor allem ein Bild: Lkw-Fahrer, die auf vollen Parkplätzen unter teils unwürdigen Bedingungen stehen, um dort ihre Ruhezeiten absitzen. Ist Ihr „XXLKW Secure Parking Elbebrücke“ der perfekte Gegenentwurf?

Gerhard Hauptstein: Definitiv! Unsere Mission lautet: „Hier schlagen Truckerherzen höher.“ Das bedeutet konkret: Seit der Eröffnung im Dezember 2022 können Lkw-Fahrer nicht nur sicher stehen, sondern auch eine angenehme Zeit bei uns haben. Duschen und Toiletten sind bei uns in großer Anzahl vorhanden, es gibt eine Lounge, TV, kostenloses Wifi, Waschmaschinen und einen Outdoor-Fitness-Parcours. Getränke und Snacks verkaufen wir zu fairen Preisen (Cola 1,50 Euro, Riegel 1 Euro) – Preise, die weit weg von dem sind, was Tankstellen sonst aufrufen. In der Küche können sich die Fahrer:innen ihr selbst mitgebrachtes Essen kochen, das passiert ja sonst in den meisten Fällen draußen im Freien auf einem kleinen Gaskocher oder im Führerhaus auf einer kleinen 24V-Kochplatte. Frauen können auf eigenen Frauenparkplätzen parken, für sie gibt es auch separate Sanitärräume. Dazu kommen natürlich Security, Kameras und Beleuchtung für alle.

LEADERSNET: Hand aufs Herz: Ist die Branche bereit für solch ein Angebot?

Gerhard Hauptstein: Wir haben knapp 600 Speditionen im DACH-Raum angesprochen – die meisten deutschsprachigen Firmen sagen alle, dass das eine super Sache ist. Oft hapert es dann am Preis. Bei 107 Stellplätzen sind wir im Moment ein ganzes Stück weit von einer Vollauslastung entfernt. Der Tarif pro Stunde liegt bei 2,50 Euro – wobei die erste Stunde sogar gratis ist ­– für 25 Euro kann ein:e Fahrer:in 12 Stunden lang stehen. Bei dem Service, den wir bieten, ein Top-Angebot – und dennoch ist es noch nicht am Markt angekommen.

XXL

LEADERSNET:  Warum halten Sie trotzdem daran fest?

Gerhard Hauptstein: Studien zufolge fehlen bereits jetzt, 2023, bis zu 100 000 Lkw-Fahrer in Deutschland – in ganz Europa sollen bis 2026 sogar 2 Millionen fehlen. Es gibt Prognosen, dass diese Zahlen in den kommenden Jahren noch rapide ansteigen, weil es schlichtweg keinen Nachwuchs gibt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Fahrerkrise sind immens, zirka 85 bis 90 Prozent unserer Waren kommt schließlich über die Lkws. Wir haben nun einen Parkplatz geschaffen, den es in Deutschland und Osteuropa noch viel öfter geben muss, um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. In Frankreich und Spanien bestehen solche Parkplätze teilweise schon. Übrigens: Jeder, der bei uns war, ist begeistert, macht Videos und stellt sie auf Social Media online – für uns die beste Werbung überhaupt.

LEADERSNET:  Andere Unternehmen rühmen sich ja ganz gerne damit, dass sie ihren Mitarbeiter:innen kostenlos Kaffee und Wasser zur Verfügung stellen können. Sie gehen also noch viele Schritte weiter und kämpfen so gegen den Fachkräftemangel?

Gerhard Hauptstein:  Auf jeden Fall. Spannend ist, dass die osteuropäischen Unternehmen erkannt haben, dass es für sie zu einem Problem wird, wenn immer mehr Fahrer:innen in den kommenden Jahren fehlen. Sie übernehmen die Kosten für ihre Mitarbeiter:innen, wenn sie auf unserem Lkw-Sicherheitsparkplatz stehen – gerade dann, wenn es um High-Value-Güter geht. Und so soll es übrigens auch sein: Firmen sollen ihren Mitarbeitenden die Nacht auf dem Sicherheitsparkplatz gönnen, um gute Rahmenbedingungen für sie zu schaffen und sie dann gegebenenfalls auch im Unternehmen zu halten.

LEADERSNET: Sie haben einen zweistelligen Millionenbetrag in den Sicherheitsparkplatz investiert. Ein gutes Invest?

Gerhard Hauptstein: Die „XXLKW Secure Parking Elbebrücke“ ist eine Vision, die mein verstorbener Vater Albert Hauptstein hatte und die ich nun fortführe. Ursprünglich kommt unsere Unternehmensgruppe aus dem Garten- und Landschaftsbau, heute arbeiten wir im Immobiliensektor als auch mit einer eigenen Baufirma im Glasfaserausbau. Mein Vater hat in seinem Tun immer die richtigen Akzente gesetzt und ist sehr gute Wege gegangen. Insofern vertrauen wir darauf und bauen auf unseren langen Atem. 

LEADERSNET: Zum Sicherheitsparkplatz gehört auch ein Hotel mit 100 Zimmern und 180 Betten…

Gerhard Hauptstein: Richtig, das Hotel ist aber nicht zwingend nur für die Fahrer:innen gedacht. Es liegt am Elberadweg im UNESCO-Welterbe Gartenreich Wörlitz als auch der Lutherstadt Wittenberg und dem Bauhaus Dessau und soll auch Radfahr-Tourist:innen ansprechen. Aktuell bauen wir noch ein Restaurant für knapp 200 Gäste.  

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