Das Unwort des Jahres 2022 lautet "Klimaterroristen"

"Durch die Gleichsetzung des klimaaktivistischen Protests mit Terrorismus werden gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt", sagt die Jury.

Der Begriff "Klimaterroristen" ist des "Unwort des Jahres 2022". Das hat die sprachkritische "Unwort"-Aktion in Marburg am Dienstag bekanntgegeben. Mit dem Ausdruck "Klimaterroristen" wird im öffentlich-politischen Diskurs pauschal Bezug auf Akteur:innen genommen, die sich für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens einsetzen.

Die Jury kritisiert die Verwendung des Begriffs, weil Klimaaktivist:innen mit Terrorist:innen gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden: "Durch die Gleichsetzung des klimaaktivistischen Protests mit Terrorismus werden gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt." Mit der Verwendung des Ausdrucks "Klimaterroristen" verschiebe sich zudem der Fokus der Debatte von den inhaltlichen Forderungen der Gruppe hin zum Umgang mit Protestierenden, wie etwa wenn eine Präventivhaft für Klimaaktivisten gefordert werde.

Comeback für "Sozialtourismus"

Das "Unwort des Jahres 2013" feiert ein Comeback in den Top 3: Von einigen Politiker:innen und Medien wurde damals mit der Verwendung des Wortes "Sozialtourismus" gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderung, insbesondere aus Osteuropa, gemacht. Aus aktuellem Anlass hat sich die Jury entschieden, diesen Ausdruck im aktuellen Ranking auf Platz zwei zu setzen. Im Jahr 2022 wurde "Sozialtourismus" von Friedrich Merz zur Bezeichnung von Menschen aus der Ukraine, die Zuflucht vor dem Krieg suchen, verwendet.

"Die Perfidie des Wortgebrauchs besteht darin, dass das Grundwort Tourismus in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende freiwillige Reisetätigkeit impliziert. Das Bestimmungswort sozial reduziert die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem profitieren zu wollen, und stellt die Flucht vor Krieg und die Suche nach Schutz in den Hintergrund", begründet die Jury ihre Entscheidung.

Militaristische Metapher auf Platz 3

Den dritten Platz belegt der Begriff "defensive Architektur". Bei diesem Ausdruck handelt es sich um eine Übertragung aus dem Englischen (defensive/hostile urban architecture – Anm. d. Red.). Im Deutschen ist der Ausdruck auch unter der Alternativbezeichnung Anti-Obdachlosen-Architektur bekannt.

Bei dem Wort "defensive Architektur" handelt es sich um eine militaristische Metapher, die verwendet wird, um eine Bauweise zu bezeichnen, die sich gegen bestimmte, wehrlose Personengruppen – zumeist Menschen ohne festen Wohnsitz – im öffentlichen Raum richtet und deren Verweilen an einem Ort als unerwünscht betrachtet. Die Jury kritisiert "die irreführende euphemistische Bezeichnung einer menschenverachtenden Bauweise, die gezielt marginalisierte Gruppen aus dem öffentlichen Raum verbannen möchte".

Das persönliche Unwort des Gastjurors ist wieder da

In diesem Jahr greift die Jury wieder auf die 2013 eingeführte Kategorie des persönlichen Unworts des Gastjurors zurück, um Ausdrücke, die den jährlich wechselnden Gastjuror:innen am Herzen liegen, zu würdigen. Das persönliche Unwort des diesjährigen Gastes – der Autor, Gagschreiber und Werbetexter Peter Wittkamp – ist "militärische Spezialoperation". 

"Der Ausdruck ist eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt, der als das enttarnt werden muss, was er ist: Propaganda, mit der der Kreml nicht nur die gesamte Welt und Deutschland belügt, sondern auch sein eigenes Land und seine Bürger:innen", so Wittkamp.

Die häufigsten Einsendungen

Für das Jahr 2022 erhielt die Jury insgesamt 1.476 Einsendungen. Es wurden 497 verschiedene Ausdrücke vorgeschlagen, von denen knapp 55 den Unwort-Kriterien der Jury entsprachen. Unter den häufigsten Einsendungen (mehr als 15), die aber nicht zwingend den Kriterien der Jury entsprechen, waren: "(Doppel-)Wumms" (52), "Gratismentalität" (26), "Klima-Kleber" (18), "Klima-RAF" (34), "Klima-Terrorist(en)" (32), "(militärische) Sonder-/Spezialoperation" (64), "mithitlern" (15), "nachhaltig" (18), "Sondervermögen" (54), "Sozialtourismus" (71) und "Zeitenwende" (15).

www.unwortdesjahres.net

Die Jury

Die Jury der institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion "Unwort des Jahres" besteht aus folgenden Mitgliedern: den vier Sprachwissenschaftler:innen Kristin Kuck (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien), David Römer (Universität Kassel) und Constanze Spieß (Sprecherin der Jury; Philipps-Universität Marburg) sowie der Journalistin Katharina Kütemeyer. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr Peter Wittkamp (Autor, Gagschreiber, Werbetexter) beteiligt.

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Die Jury der institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion "Unwort des Jahres" besteht aus folgenden Mitgliedern: den vier Sprachwissenschaftler:innen Kristin Kuck (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien), David Römer (Universität Kassel) und Constanze Spieß (Sprecherin der Jury; Philipps-Universität Marburg) sowie der Journalistin Katharina Kütemeyer. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr Peter Wittkamp (Autor, Gagschreiber, Werbetexter) beteiligt.

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