Die durch die Chipkrise ausgelöste Sonderkonjunktur hält vorerst an: Die 16 größten Autokonzerne der Welt konnten ihren Gesamtumsatz im zweiten Quartal um 13 Prozent auf einen neuen Höchstwert steigern – und das obwohl die Zahl der verkauften Pkw gegenüber dem Vorjahreszeitraum um zehn Prozent eingebrochen ist. Die stärksten Absatzeinbußen verzeichneten die Unternehmen dabei in China, wo die Verkäufe um 24 Prozent schrumpften. In den USA ging es um 21 Prozent nach unten, in Westeuropa um 17 Prozent.
VW ist Umsatzkrösus, Mercedes mit höchstem Gewinn
Eine Analyse der Finanzkennzahlen der 16 größten Autokonzerne der Welt, durch die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, zeigt, dass Volkswagen mit einem Umsatz von knapp 70 Milliarden Euro Spitzenreiter vor Toyota (61 Milliarden Euro) und Stellantis (44 Milliarden Euro) war. Die höchsten Gewinne verzeichneten hingegen Mercedes-Benz (4,6 Milliarden Euro), Volkswagen (4,5 Milliarden Euro) und Toyota (4,2 Milliarden Euro).
Bei den Gewinnmargen hatte hingegen erneut Tesla die Nase vorn: Der kalifornische Elektroautobauer erzielte eine Marge von 14,6 Prozent und lag damit vor Mercedes-Benz (12,7 Prozent) und Kia (10,2 Prozent). Die Durchschnittsmarge der untersuchten Unternehmen lag mit 7,9 Prozent deutlich niedriger als im Vorjahreszeitraum (9,8 Prozent) und nur noch leicht über dem Vor-Pandemie-Niveau: Zwischen 2013 und 2019 hatte die Gewinnmarge der Autokonzerne im Durchschnitt 6,7 Prozent betragen.
Neuwagenpreise bleiben vorerst hoch
Nach wie vor ist die Nachfrage größer als das Angebot – das gibt den Autokonzernen weiter Rückenwind", urteilt Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West. "Der Chipmangel ist der wichtigste begrenzende Faktor. Die raren Halbleiter werden vor allem in margenstarke Fahrzeuge eingebaut; gleichzeitig müssen die Hersteller kaum noch Preisnachlässe gewähren, sondern können teilweise sogar Preiserhöhungen durchsetzen. Das treibt den Umsatz bei den meisten Herstellern in die Höhe." Nur zwei Unternehmen – Renault und Mazda – verzeichneten im zweiten Quartal einen Umsatzrückgang, während 13 Unternehmen rückläufige Absatzzahlen vermeldeten.
Dass die Profitabilität nicht mehr wie in den Vorquartalen steige, wertet Peter Fuß, Partner bei EY, als Zeichen einer beginnenden Normalisierung der Lage in der Branche: "Die Zeiten der Traummargen sind bald vorbei. Denn in den kommenden Monaten dürfte sich die Versorgung mit Halbleitern langsam verbessern, sodass die Pkw-Produktion wieder etwas an Fahrt gewinnt. Gleichzeitig sehen wir zunehmende Probleme auf der Nachfrageseite: Eine weltweite Rezession droht, wir erleben eine Energiekrise in Europa, Verbraucher und Unternehmen werden vorsichtiger bei Investitionen. Die Branche muss sich daher auf eine schwächere Nachfrage einstellen. Das wird zuerst das Volumensegment zu spüren bekommen." Gleichzeitig rechnet Fuß damit, dass es bei den Material-, Logistik- und Energiepreisen keine Entspannung geben wird: "Die Neuwagenpreise bleiben vorerst hoch."
Karten in China werden neu gemischt
Auf dem gerade für die deutschen Hersteller besonders wichtigen chinesischen Markt verzeichneten alle untersuchten Unternehmen im zweiten Quartal teils massive Absatzeinbußen – insgesamt um 24 Prozent. Die drei deutschen Konzerne verbuchten ein Minus von insgesamt 19 Prozent. Der Anteil Chinas am weltweiten Pkw-Absatz der deutschen Konzerne schrumpfte damit von 37,4 Prozent im Jahr 2021 auf nur noch 34,2 Prozent im zweiten Quartal dieses Jahres.
Unter anderem machten Corona-bedingte Lockdowns den Autokonzernen das Leben schwer, so Fuß: "China erweist sich zunehmend als herausfordernder Markt, die Zeiten unbegrenzten Wachstums sind längst vorbei. Gerade im boomenden Elektro-Segment werden derzeit die Karten neu gemischt. Die Herausforderung besteht darin, die richtigen E-Modelle mit den in China stark nachgefragten Software-Features am Start zu haben."
Premiumautos zu Premiumpreisen sorgen für Premiumeinnahmen
Nicht nur in China, sondern weltweit zahlt sich derzeit der Fokus auf hochpreisige Premiumfahrzeuge gerade für die deutschen Konzerne aus. Daran dürfte sich vorerst wenig ändern, so Gall: "Die Hersteller verdienen derzeit mit Premiumautos zu Premiumpreisen viel Geld – und das schließt E-Autos ein. Zahlreiche sehr attraktive und leistungsstarke E-Autos kommen zudem in den kommenden Monaten auf den Markt. Die Nachfrage im gehobenen Segment ist groß, die Bereitschaft, einen Premiumaufschlag zu zahlen, ebenfalls."
Gleichzeitig werde das Angebot im Kleinwagensegment immer dünner, so Gall – weil es sich für die Hersteller immer weniger lohne, derartige Autos zu entwickeln und zu produzieren: "Die Transformation vom klassischen Autohersteller zum softwaregetriebenen Mobilitätskonzern kostet sehr viel Geld. Dieses Geld wird in der Oberklasse verdient. Der Fokus auf margenstarke Premiumfahrzeuge macht strategisch und aus betriebswirtschaftlicher Sicht also absolut Sinn. Für Autokäufer mit schmalem Geldbeutel rückt der Autokauf allerdings in weite Ferne."
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