Die Pandemie setzte Handelsunternehmen unter Druck. Was denken die Verbraucher aktuell in einer Phase der Entspannung über das Leistungsversprechen von Handelsunternehmen? Wie bewerten sie die tatsächlichen Leistungen der Händler?
Aufschluss gibt das aktuelle "Performance Ranking" von EY-Parthenon, in dessen Rahmen rund 6.800 Verbraucher befragt und 40.000 qualifizierte Händlerbewertungen analysiert wurden. Es zeigt: gerade bei der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen und bei der Digitalisierung ist Verbesserungspotenzial vorhanden, welches die Händler nutzen sollten.
Die Top 30
Etablierte Drogeriemärkte, ein Lebensmittel-Lieferservice, Luxusmarken, ein Möbelhaus sowie ein Anbieter von Haustier-Produkten stehen an der Spitze der Bewertungen – und nicht zuletzt auch ein globaler Online-Marktplatz. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Bewertungen sogar noch einmal leicht verbessert. Starke Spreizungen zeigen jedoch, dass hier von einer flächendeckenden Entwicklung kaum die Rede sein kann.
© EY Parthenon
"In der Phase der Pandemie hat der Handel große Anstrengungen unternommen, was die Verbaucher goutieren. Dennoch gibt es für Retailer keine Verschnaufpause. Gerade angesichts der aktuellen Umstände gilt es, das Leistungsniveau so hoch wie möglich zu halten – trotz beziehungsweise gerade wegen des Zusammenspiels von Krieg, Inflation und schwächelndem Verbrauchervertrauen", kommentiert Andreas Teller, Partner Consumer Products & Retail bei EY-Parthenon.
Die Gewinner: Vertrauen, Qualität, Service
In insgesamt drei Kategorien lassen sich die bestbewerteten On- und Offline-Handelshäuser einteilen: "The Good", "The Close" und "The Convenient". Die erste Gruppe zeichnet sich durch eine besonders gute Benotung in puncto Vertrauen, Auswahl und Preis-Leistungsverhältnis aus. Zudem schneiden sie überdurchschnittlich gut in der Kategorie "Sicherheit" ab und gelten auch in Krisenzeiten als sicherer Hafen.
Die zweite Gruppe kann sich vor allem eine stark ausgeprägte Kundennähe einschließlich Beratungsqualität, Einkaufserlebnis und Service auf die Fahnen schreiben. Der Erfolg der dritten Gruppe schließlich basiert auf dem weitreichenden Service – zum Beispiel Lieferdienste von Supermarktketten – der sich entsprechend auf die Einkaufsentscheidungen der Verbraucher auswirkt. Bemerkenswerterweise punktet diese Gruppe aus Sicht der Studienteilnehmer auch durch die Nachhaltigkeit ihrer Konzepte bzw. Aktivitäten.
Nachhaltigkeit: Mittelmäßige Bewertung
Eines der immer wichtigeren Kriterien bei der Anbieterwahrnehmung durch den Kunden ist das Thema Nachhaltigkeit. Die Akzeptanz nachhaltigkeitsfördernder Maßnahmen hängt jedoch weiterhin auch von der Preisbereitschaft der Verbraucher ab. Insgesamt zeigen Verbraucher jedoch eine erstaunlich hohe Toleranz gegenüber gut begründeten Preisaufschlägen, die der Nachhaltigkeit zugutekommen – und das nicht nur im Luxussegment, sondern auch beim ansonsten sehr preissensiblen Lebensmittelbereich.
Im Vergleich mit anderen Branchen steht der Handel nicht besonders gut da: Die Nachhaltigkeit der Unternehmen wird von den Studienteilnehmern eher mittelmäßig bewertet. Die wahrgenommene Nachhaltigkeit der Händler hängt dabei weniger von dem Sortiment ab, als von dem allgemeinen Format und der Kommunikation. Handelsunternehmen, die einfach und verständlich kommunizieren und Missverständnisse vermeiden, erleichtern Verbrauchern die Auseinandersetzung mit dem Thema. Viele Verbraucher können die Angaben der Händler zunächst nicht richtig einordnen und auch selbst nicht immer exakt beurteilen, was der Nachhaltigkeit wirklich dient. Damit wäre es vor allem eine Frage der Kommunikation, um hier insgesamt zu besseren Ergebnissen zu kommen.
Digitalisierung: Nach Kraftakt jetzt nicht nachlassen
Ein weiterer entscheidender Punkt ist der Stand der digitalen Kompetenz und der Verfügbarkeit von digitalen Angeboten. Der Vergleich von reinen Online-Händler mit Omnichannel-Anbieter zeigt, dass die Omnichannel-Händler in letzter Zeit erheblich an digitaler Exzellenz dazugewonnen und entsprechend aufgeholt haben.
Im Zuge der schrittweisen Öffnung des stationären Handels haben die Bemühungen in diesem Bereich jedoch wieder nachgelassen – aber genau das ist jetzt alles andere als zukunftssichernd. Die Bewertungen lassen erkennen, dass Kunden vor allem Wert auf eine nahtlose Kanalverknüpfung legen. Am POS (Point of Sale) kommt digitalen Angeboten und Optionen eine besondere Bedeutung zu: Wer hier attraktive Möglichkeiten implementiert – vom virtuellen Ausprobieren von Waren bis hin zum Livestream-Shopping in den Filialen – und kommuniziert, steigt in der Gunst der Verbraucher. Überall dort, wo das Convenience-Level vergleichbar mit dem der Online-Händler ist, rückt digitale Exzellenz in greifbare Nähe.
"Trotz eines insgesamt starken Verbrauchervertrauens in den Handel besteht durchaus noch Optimierungspotenzial. Das Spektrum reicht dabei von der Bereitstellung besonderer Einkaufserlebnisse bei den Omnichannel-Händlern bis hin zu einer klareren Kommunikation von Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Das ist auch nötig, weil selbst nach Abebben der Pandemie immer noch 40 Prozent eine stärkere Zurückhaltung beim Offline-Shopping zeigen", analysiert Kerstin Lehmann, Senior Advisor bei EY-Parthenon. "Wir erwarten deshalb auch weitere Marktbereinigungen. Gerade Player, die deutlich in ihr Leistungsversprechen investieren müssten, aber durch die aktuelle Situation zur Kostendisziplin gezwungen sind, können nötige Investitionen nicht tätigen und verlieren weiteres Vertrauen der Verbraucher und somit ihre Existenzberechtigung."
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