Altersdiversität in der Kreativbranche
ADC Future Diversity Age: Haben Kreative ein Verfallsdatum?

Die Werbebranche gilt als jung, dynamisch und hip. Doch was passiert mit Kreativen, die die 40 überschreiten? Ein Hamburger Kongress wagte den Blick auf das Tabuthema und zeigt: Ältere Mitarbeitende könnten die Zukunft sein, wenn Unternehmen endlich ihre Stärken erkennen. Wie die Branche mit dem Generationenwandel umgeht – und warum sie das graue Gold zum Glänzen bringen sollte.

Der Hamburger Werber Sascha Hanke sitzt im Präsidium des Art Directors Club für Deutschland (ADC). Vor fünf Jahren übernahm er eine Agentur in Hamburg und gab ihr den vielversprechenden Namen Häppy. Auf seine Initiative hin lud der ADC unlängst in die Agentur Mutabor zum Kongress ein. Das Thema: "Future Diversity Age“. Das Ziel: Mehr "Age Diversity“; ein Ansatz, der im umgekehrten Zugang als Versuch der älteren Generationen zu verstehen ist, einer auf Jugend fixierten Branche etwas entgegenzusetzen.

Hanke selbst kann ein Lied davon singen. Schon vor zehn Jahren musste er sich anhören, dass Kreative über 40 in seiner Branche so gut wie nicht mehr vermittelbar seien. Inka Wittmann, früher bei Jung von Matt und Serviceplan tätig und heute selbstständige Personalberaterin, pflichtet ihm bei: Die unsichtbare Schranke für die Besetzung von Jobs falle tatsächlich nicht selten schon mit Anfang 40.

Technikfern, überfordert mit Digitalisierung und Tools, nicht dynamisch und nicht hip genug – das seien die Merkmale, mit denen man automatisch in Verbindung gebracht werde, so der Tenor. Wobei: Gibt es das Wort "hip“ überhaupt noch unter jungen Leuten? Diese Frage stellte der Kreativberater Robert Eysoldt in die Runde.

Ein Spiegel-Redakteur, der das Event besuchte, stellte ein Paradox in der Branche fest. Einerseits folgten viele dem Longevity-Trend und täten alles, um sich mit 60 noch wie 40 zu fühlen. Auf der anderen Seite müssten sie hinnehmen, auf dem Arbeitsmarkt schon mit 40 wie 60 behandelt zu werden.

Fragt sich bloß: Wie können nicht mehr ganz so "freshe“ Kreative auf solche Verhältnisse reagieren?

In einem Punkt zumindest dürfte sich das Problem von selbst lösen – schließlich sind im nun zu Ende gehenden Jahr über eine Million Deutsche 60 geworden. Bis 2030 wird ein Viertel der Deutschen im Rentenalter sein. Wer alt ist, wird folglich nicht mehr zur Minderheit gehören. Die immer größer werdende Zielgruppe der älteren Generationen will vermehrt beworben werden – und wer könnte das besser als die ältere Generation selbst?

Detlef Arnold, Geschäftsführer der Agentur Saint Elmo’s Hamburg, sieht Nachholbedarf in der Ansprache dieser Zielgruppe. Während man sich in der Generation Z mit vielfältigen Methoden und Narrativen um jeden Kunden bemühe, werfe man Menschen 50plus oft einfach in einen Topf. Pauschal sei dann von Best Silver oder Best Agern die Rede. Arnold findet diesen Ansatz absurd: "Ich soll in derselben Zielgruppe sein wie meine Mutter?“ Er spricht von einem "Nebel“, der über der Generation 50plus liege.

Derzeit gründet Arnold die Beratungsgesellschaft "G50Unleashed“, mit der er Unternehmen helfen will, besser mit Zielgruppen jenseits der 50 zu kommunizieren. Er hinterfragt zudem die Sinnhaftigkeit, Marken in einer alternden Gesellschaft immer weiter "verjüngen“ zu müssen.

Frank Leyhausen, Geschäftsführer der Coaching-Firma AgeForce 1 GmbH, plädiert für eine Lobby für ältere Werber: "Ihr habt die Power, das zu ändern“, erklärt er. Sein neu erschienenes Buch "Graues Gold statt altes Eisen“ soll Unternehmen Strategien aufzeigen, wie sie eine Kultur des Respekts etablieren können, in der ältere Mitarbeitende als graues Gold wahrgenommen werden – und wie der Übergang in den Ruhestand gelingen kann.

Die Produktdesignerin Elke Jensen verkündet indes, dass Kreativität einen gut altern lässt. Sie muss es wissen - immerhin hat die 72-jährige das Startup City Caddy gegründet, das elegante Lifestyle-Rollatoren vertreibt.

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