Bundesrepublik im Vergleich
Deutschlands Krankenstände: Warum Langzeitausfälle das größte Problem sind

| Redaktion 
| 08.12.2024

Deutschland kämpft mit einer der höchsten Krankenstandsquoten weltweit. Laut OECD-Experte Christopher Prinz liegt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich auf Platz sieben. Doch nicht alle Krankenstände sind gleich problematisch: Während Kurzzeitkrankmeldungen kaum ins Gewicht fallen, treiben vor allem Langzeitausfälle die volkswirtschaftlichen Kosten in die Höhe – und führen oft zum dauerhaften Verlust von Arbeitskräften.

Die Zahlen sind alarmierend: Im Schnitt meldeten sich über die Techniker Krankenkasse versicherte Beschäftigte in Deutschland im ersten Dreivierteljahr 2023 für über 14 Tage krank. Besonders problematisch sind jedoch Langzeiterkrankungen, bei denen Arbeitnehmer länger als sechs Monate ausfallen. "Unsere Statistiken zeigen, dass viele dieser Menschen nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren“, warnt Prinz im Interview mit der Welt.

Eine zentrale Ursache dafür sieht er in der steigenden Zahl psychischer Erkrankungen. Diese machen inzwischen einen erheblichen Anteil der Langzeitausfälle aus. Doch statt Betroffene langsam und gezielt in den Arbeitsalltag zurückzuführen, bleiben sie häufig dauerhaft krankgeschrieben. Für die Betroffenen selbst und für die Wirtschaft ist das gleichermaßen problematisch.

Prävention am Arbeitsplatz: Ein Blick in die Niederlande

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es auch anders geht. Die Niederlande galten lange als Hochburg der Krankenstände – bis die Regierung eine entscheidende Änderung einführte: Unternehmen wurden verpflichtet, die Kosten krankheitsbedingter Ausfälle für bis zu zwei Jahre selbst zu tragen. Die Folge: Unternehmen investierten stärker in Präventionsmaßnahmen und eine gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung.

Die Maßnahme zeigte Wirkung: "Die Krankenstandsquote ist drastisch gesunken“, sagt Prinz. Gleichzeitig blieben die soziale Absicherung und die Rechte von Arbeitnehmern unangetastet. "Die Niederlande haben bewiesen, dass Prävention effektiver ist als Misstrauen.“

Wie Deutschland handeln könnte

In Deutschland steht die Diskussion um Krankenstände oft unter falschen Vorzeichen. Die Debatte über angeblich steigende Zahlen oder die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung lenkt vom eigentlichen Problem ab: Der mangelnden Integration von Gesundheit im Arbeitsmarkt.

Prinz schlägt vor, Krankenkassen und Jobcenter stärker zu verzahnen. "Es wäre wichtig, Betroffenen eine Perspektive zu bieten, die über eine Krankschreibung hinausgeht. Manchmal ist ein klärendes Gespräch über die berufliche Situation sinnvoller als ein Attest“, erklärt er.

Teilzeitkrankenstand als Chance

Gleichzeitig könnten Modelle wie Teilzeitkrankenstände dazu beitragen, Arbeitnehmer nach längeren Ausfällen schrittweise zurück an den Arbeitsplatz zu führen. Hier sei jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Unternehmen und sozialen Institutionen erforderlich.

Deutschlands Herausforderung ist klar: Langzeitkrankenstände verursachen immense Kosten und führen häufig dazu, dass Menschen den Anschluss an den Arbeitsmarkt verlieren. Statt die Debatte auf kurzfristige Krankmeldungen zu fokussieren, sollten Politik und Unternehmen gezielte Maßnahmen entwickeln, um Prävention zu fördern und Betroffene besser zu unterstützen.

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