Nächtliche Entspannungsmusik statt Videoschnipsel
TikToks neue Features und Awareness-Kampagne: Mehr Imagepflege als echter Jugendschutz

| Redaktion 
| 12.03.2025

TikTok will seinen Jugendschutz verbessern. Mit einer neuen PR-Kampagne und erweiterten Kontrollfunktionen für Eltern soll der digitale Überkonsum Jugendlicher eingedämmt werden. Doch wie wirksam sind die Maßnahmen wirklich?

Seit Jahren steht TikTok in der Kritik. Der Algorithmus zieht Nutzer:innen in einen endlosen Strom aus Kurzvideos, die Verweildauer auf der Plattform steigt – insbesondere bei Jugendlichen. Ein bewusstes Designprinzip, denn je länger die App genutzt wird, desto mehr Werbeeinnahmen generiert das Unternehmen. Nun versucht TikTok, sich als verantwortungsbewusst darzustellen. Eltern sollen mehr Kontrolle bekommen, Jugendliche auf gesündere Mediennutzung hingewiesen werden.

Auszeiten, Transparenz, Kontrolle

Eine der zentralen Neuerungen ist das Feature „Auszeit“, mit dem Eltern festlegen können, wann ihre Kinder TikTok-Pausen einlegen müssen. Jugendliche haben die Möglichkeit, um eine Verlängerung zu bitten – die endgültige Entscheidung liegt bei den Erziehungsberechtigten. Außerdem können Eltern künftig sehen, wem ihre Kinder folgen, wer ihnen folgt und welche Konten blockiert wurden. TikTok verspricht mehr Transparenz, mehr Kontrolle. Doch bedeutet mehr Kontrolle auch mehr Sicherheit?

Ein weiteres Problem, das die Plattform adressieren will, ist das exzessive Scrollen vor dem Schlafengehen. Wer unter 16 ist und nach 22 Uhr TikTok öffnet, wird künftig mit einer Meditationsfunktion konfrontiert – beruhigende Musik, Vollbildmodus, eine Pause für das Dopamin-System. Wer weiterscrollt, trifft auf eine zweite, schwerer zu überspringende Erinnerung. Ein netter Versuch, doch wie wirksam ist eine derartige Maßnahme gegen einen Algorithmus, der genau darauf optimiert ist, Nutzer so lange wie möglich auf der Plattform zu halten?

Kosmetische Änderungen statt substanzielle Verbesserungen

Die Kampagne, die TikTok gemeinsam mit Media Smart ins Leben gerufen hat, richtet sich vor allem an Eltern und Lehrkräfte, die wenig Erfahrung mit sozialen Medien haben. In kurzen Videos sollen sie über die Risiken aufgeklärt werden, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Die Kampagne läuft in Deutschland, Großbritannien, Schweden und Frankreich. Doch auch hier stellt sich die Frage: Genügt es, auf Aufklärung zu setzen, wenn die eigentliche Struktur der Plattform unverändert bleibt?

Beim Thema Altersverifikation setzt TikTok auf Künstliche Intelligenz. Maschinelles Lernen soll verhindern, dass Kinder unter 13 Jahren die Plattform nutzen. In Kooperation mit dem Telekommunikationsanbieter Telefónica wird an einer Lösung gearbeitet, die eine Altersprüfung über den Mobilfunkanbieter ermöglichen soll. Doch solange keine verlässlichen Identitätsnachweise eingeführt werden, bleibt Alterskontrolle eine Grauzone. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Kinder falsche Angaben machen oder Accounts älterer Geschwister nutzen, um Zugang zu erhalten.

Halbherzige Lösung mit strategischem Kalkül

Unterm Strich wirkt die Kampagne eher wie ein Versuch, sich als verantwortungsbewusst zu positionieren, bevor Druck vonseiten der EU wächst. Die Maßnahmen sind kein echter Gamechanger für den Jugendschutz, sondern eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn TikTok es ernst meint, müsste es seinen Algorithmus transparenter machen, externe Prüfstellen zulassen und aktiv gegen problematische Inhalte vorgehen – bisher fehlt dafür jedoch der Wille.

Die neuen Funktionen mögen gut gemeint sein, doch solange der Algorithmus weiter darauf ausgelegt ist, Nutzer:innen möglichst lange auf der Plattform zu halten, bleibt der Jugendschutz ein Nebenprodukt – nicht das eigentliche Ziel.

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