Interview mit dem CEO von Formo
Raffael Wohlgensinger: "Rewe hat das enorme Potenzial unserer mikrofermentierten Käsealternativen erkannt"

Die Lebensmittelproduktion ist für ein Drittel der globalen Treibhausgasemission verantwortlich und verbraucht 70 Prozent unseres Süßwassers. Als CEO des Startups Formo hat sich Raffael Wohlgensinger dieser Herausforderung gestellt: Sein Unternehmen entwickelt innovative Ansätze, um unsere Ernährungsgewohnheiten klimafreundlicher zu gestalten - ohne die Vorlieben der Verbraucher dabei außer Acht zu lassen.

Wohlgensingers erklärte Mission ist es, die Milchproduktion komplett neu zu denken und die dazugehörigen Emissionen um bis zu 80 Prozent zu senken. Im LEADERSNET-Interview erzählt Raffael Wohlgensinger, wie er und sein Team dieses ambitionierte Ziel verfolgen, welche Technologien dabei zum Einsatz kommen und warum er an die Kraft der Innovation glaubt, um unseren Planeten zu schützen.

LEADERSNET: An der gerade abgeschlossenen Serie B-Finanzierungsrunde über 55 Millionen Euro sind neben Rewe auch bisherige Investoren wie Foodlabs und EQT Ventures beteiligt. Es ist eine der größten Kapitalrunden für ein deutsches Food-Tech-Unternehmen in diesem Jahr. Mit welchen Argumenten konntet Ihr Rewe überzeugen?

Wohlgensinger: Rewe von uns zu überzeugen, war das Ergebnis mehrerer entscheidender Faktoren. Zunächst liebt Rewe unsere Produkte – sie haben das enorme Potenzial unserer mikrofermentierten Käsealternativen erkannt. Geschmack, Textur und Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund, das hat Rewe direkt überzeugt.

Ein weiterer wichtiger Punkt war unsere kommerzielle Strategie. Wir haben einen klaren Plan, wie wir unsere Produkte erfolgreich in den Markt bringen und skalieren können, was für einen großen Partner wie Rewe besonders relevant ist. Sie sehen, dass wir nicht nur innovativ sind, sondern auch die Marktstrategie besitzen, um langfristig erfolgreich zu wachsen.

Ganz entscheidend war auch, dass Rewe unsere Vision teilt. Sie verstehen, dass die Lebensmittelindustrie einen Wandel braucht und sind genauso überzeugt wie wir, dass innovative Technologien wie unsere die Antwort darauf sind.

LEADERSNET: Trifft es zu, dass Formo damit insgesamt bisher rund 117 Millionen US-Dollar einsammeln konnte?

Wohlgensinger: Ja, das ist korrekt.

LEADERSNET: Durch die Verwendung des Koji-Pilzes bei Euren Produkten ist keine zusätzliche Zulassung notwendig. Formo nutzt nicht den Koji-Pilz selbst als Biomasse, sondern die Proteine, die der Pilz durch Mikrofermentation produziert. Die Pilze wachsen einige Tage im Fermenter und produzieren ein Protein, das dem Molkenprotein sehr ähnlich ist. Das Eiweiß wird geerntet und als Pulver weiterverarbeitet. Wundert es Euch, dass – vielleicht von Nosh Bio abgesehen - bislang noch niemand auf diese Idee gekommen ist?

Wohlgensinger: Überrascht sind wir nicht. Die Technologie, den Koji-Pilz mittels Mikrofermentation zur Produktion von Proteinen einzusetzen, die dem Molkenprotein in Sachen Funktion und Performance sehr ähnlich sind, ist extrem anspruchsvoll. Es erfordert nicht nur tiefgehendes biotechnologisches Knowhow, sondern auch intensive Forschung und Entwicklung, um den Prozess so zu gestalten, dass er sowohl effizient als auch skalierbar ist.

Der Weg von der Idee zur Umsetzung ist komplex. Es reicht nicht aus, die Mikrofermentation an sich zu beherrschen – man muss auch sicherstellen, dass das resultierende Protein in der Käseproduktion geschmacklich, funktional und konsistent überzeugt. Dazu kommen die Herausforderungen bei der Skalierung der Produktion und der Integration in bestehende Herstellungsprozesse. Bei Formo haben wir diese Hürden dank unseres engagierten Teams und unserer Fokussierung auf nachhaltige Innovation überwunden.

LEADERSNET: Seit Anfang September sind drei Frischkäsesorten und eine Camembert-Alternative in 2000 Rewe-Filialen, bei Billa in Österreich und bei Metro in Deutschland erhältlich. Wie läuft der Verkauf an?

Wohlgensinger: Seit Anfang September sind zwei Varianten unseres Frischhain - Natur und Kräuter - bei Rewe und Metro erhältlich. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung der ersten Wochen. Frischhain Tomate sowie anschließend Camembritz werden sich zeitnah dazu gesellen.

 
 
 
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LEADERSNET: Wird es eine spezielle Werbe- oder Verkaufskampagne dazu geben?

Wohlgensinger: Ja, eine Out-of-Home-Marketing-Kampagne ist in Planung. Mehr können wir nicht verraten.

LEADERSNET: Was beinhaltet der Media-for-Equity-Deal mit SevenVentures? Welches Volumen hat er?

Wohlgensinger: Der Media-for-Equity-Deal mit SevenVentures ist ein strategischer Schritt, um unsere Marke weiter bekannt zu machen und unsere Produkte einer breiteren Zielgruppe zugänglich zu machen. Durch die Partnerschaft erhalten wir Zugang zu wertvollen Medienressourcen, die es uns ermöglichen, unsere Reichweite erheblich zu steigern und die Bekanntheit unserer Innovationen im Bereich tierfreier Käsealternativen weiter auszubauen. Details zu Umfang und Volumen des Deals können wir nicht im Einzelnen offenlegen, aber wir sind überzeugt, dass diese Kooperation eine wichtige Rolle dabei spielen wird, unser Wachstum in den kommenden Jahren zu beschleunigen.

LEADERSNET: Wie positioniert Ihr Euch preislich im Wettbewerbsumfeld?

Wohlgensinger: Die UVP für Frischhain in der 150 Gramm Packung beträgt 2,89 Euro. Damit liegen wir derzeit preislich im Premiumsegment. Wir arbeiten intensiv daran, in möglichst naher Zukunft eine Preisparität mit hochwertigen, herkömmlichen Käseprodukten zu erreichen. Unser Ziel ist es, nachhaltige, tierfreie Käsealternativen für eine noch breitere Zielgruppe zugänglich zu machen, ohne dabei Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Der Preis spielt dabei eine entscheidende Rolle - das wissen wir. Durch Skaleneffekte, weitere Effizienzgewinne und einer Anpassung politischer Rahmenbedingung für mehr Fairness im Wettbewerb mit tierischen Produkten werden wir diesen Punkt erreichen.

LEADERSNET: Wie wichtig ist dieser Faktor?

Wohlgensinger: Insbesondere in einem wettbewerbsintensiven Markt wie dem Lebensmittelbereich ist der Preis wie gesagt sehr wichtig. Für uns zählt, dass wir unseren Kunden ein Produkt bieten, das nicht nur geschmacklich und qualitativ überzeugt, sondern auch im Preis-Leistungs-Verhältnis attraktiv ist. Aktuell rechtfertigen wir unseren Premiumpreis durch die innovative Technologie, die hinter unseren Produkten steckt und die hohe Qualität unserer Käsealternativen.

Gleichzeitig arbeiten wir kontinuierlich daran, unsere Produktionsprozesse zu optimieren, um langfristig eine Preisparität mit konventionellen hochwertigen Käseprodukten zu erreichen. Unser Ziel ist es, nachhaltige, tierfreie Produkte für eine möglichst breite Zielgruppe zugänglich zu machen – und der Preis spielt dabei eine zentrale Rolle, um diese Akzeptanz zu fördern.

 
 
 
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LEADERSNET: Setzt tierischer Käse die Benchmark? Orientieren sich die Kunden am Preis für tierischen Käse?

Wohlgensinger: Tierischer Käse setzt in gewisser Weise eine Benchmark, da viele Konsumenten den Preis von Alternativprodukten mit traditionellen Käseprodukten vergleichen. Gerade im Premiumsegment erwarten Kunden eine hohe Qualität und sind bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen – unabhängig davon, ob es sich um tierischen, pflanzlichen oder fermentations-basierten Käse handelt.

Wir sehen aber, dass die Konsumenten bei tierfreien Alternativen zunehmend auch auf andere Faktoren achten; wie Nachhaltigkeit, Innovation und ethische Aspekte. Zwar orientiert sich ein Teil der Kunden noch am Preis von tierischem Käse, doch es gibt auch eine wachsende Gruppe, die den Mehrwert unserer tierfreien Produkte erkennt und bereit ist, für die Kombination aus Geschmack, Qualität und Umweltfreundlichkeit einen Aufpreis zu zahlen. Dies gilt insbesondere für Flexitarier, die am schnellsten wachsende Konsumentengruppe.

LEADERSNET: In der Ökobilanz schneiden die tierfreien Käse deutlich besser ab als Käse aus Kuhmilch. Wie wichtig sind Nachhaltigkeitsargumente oder Nachhaltigkeitsmehrwerte?

Wohlgensinger: Nachhaltigkeitsargumente spielen eine zentrale Rolle für unsere Marke und sind für eine wachsende Zahl von Konsumenten ein entscheidender Faktor bei der Kaufentscheidung. In Zeiten, in denen die Klimakrise und Umweltprobleme immer präsenter werden, achten Verbraucher zunehmend darauf, wie ihre Lebensmittel produziert werden und welchen Einfluss diese auf die Umwelt haben. Unsere tierfreien Käsealternativen bieten hier einen klaren Mehrwert, da sie in der Ökobilanz deutlich besser abschneiden als Käse aus Kuhmilch.

LEADERSNET: Welchen Platz im Regal oder in der Kühltheke strebt Formo an?

Wohlgensinger: Wir streben eine Platzierung sowohl in der veganen Abteilung als auch im Kühlbereich für herkömmliche Milchprodukte an. Zum einen möchten wir in der veganen Abteilung sichtbar sein, um Konsumenten anzusprechen, die gezielt nach pflanzlichen Alternativen suchen. Diese Käufergruppe ist bereits stark auf Nachhaltigkeit und tierfreie Produkte fokussiert, weshalb unsere Käsealternativen dort ideal platziert sind.

Zum anderen ist es uns wichtig, auch im klassischen Käsebereich präsent zu sein. Unser Ziel ist es, nicht nur Veganer oder Flexitarier zu erreichen, sondern auch traditionelle Käseliebhaber zu überzeugen, die nach hochwertigen Alternativen suchen, ohne auf Geschmack und Qualität zu verzichten. Durch die Platzierung in beiden Bereichen ermöglichen wir eine größere Sichtbarkeit und Zugänglichkeit für verschiedene Zielgruppen.

LEADERSNET: Wie sieht Euer typischer Käufer oder Eure typische Käuferin aus?

Wohlgensinger: Unser typischer Käufer oder unsere typische Käuferin ist jemand, der bewusst konsumiert und Wert auf Nachhaltigkeit, Gesundheit und Innovation legt. Diese Person ist oft gut informiert über die ökologischen und ethischen Herausforderungen der Lebensmittelindustrie und sucht gezielt nach Alternativen zu tierischen Produkten, ohne dabei auf Geschmack und Qualität verzichten zu wollen.

 
 
 
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Viele unserer Kunden sind Flexitarier, die ihren Fleisch- und Milchkonsum reduzieren möchten, ohne vollständig auf tierische Produkte zu verzichten. Sie legen Wert auf eine ausgewogene Ernährung und schätzen hochwertige, pflanzliche Alternativen, die sowohl geschmacklich als auch in der Ökobilanz überzeugen. Auch Veganer und Vegetarier zählen zu unserer Kernzielgruppe, da sie gezielt nach tierfreien Käsealternativen suchen.

LEADERSNET: Eine Familienkäserei in Norddeutschland stellt den Käse für Formo auf traditionelle Weise her. Aus dem Proteinpulver, pflanzlichen Fetten, Wasser, Salz und Reifekulturen. Welches Unternehmen ist das?

Wohlgensinger: Unser Käse wird in Zusammenarbeit mit der Familienkäserei Etelser in Norddeutschland auf traditionelle Weise hergestellt. Wir sind stolz darauf, mit einem erfahrenen Partner zusammenzuarbeiten, der unsere Vision teilt, nachhaltige und tierfreie Alternativen in den breiten Markt zu bringen.

LEADERSNET: Formo kann nach eigenen Angaben bis zu 100 Tonnen Käse pro Monat aus Koji-Protein herstellen lassen. Trifft das noch zu?

Wohlgensinger: Ja, das trifft weiterhin zu. Formo kann aktuell bis zu 100 Tonnen Käse pro Monat aus Koji-Protein herstellen. Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Produktionskapazitäten weiter zu steigern, um der wachsenden Nachfrage und unserem sich erweiternden Produktportfolio nachzukommen und so unsere Mission, nachhaltige Käsealternativen für einen breiteren Markt bereitzustellen, weiter voranzutreiben.

LEADERSNET: Bis Ende 2025 sollen die Produktionskapazität in Berlin und Frankfurt am Main verdreifacht werden. Reichen diese Produktionskapazitäten aus? In welchen Schritten wollt Ihr wo ausbauen?

Wohlgensinger: Unsere Produktionskapazitäten in Berlin und Frankfurt dienen als Pilotanlagen. Für die Skalierung setzen wir nicht auf eigene Capex-Investitionen, sondern arbeiten mit erfahrenen Produktionspartnern in der DACH-Region zusammen – beispielsweise Etelser. Diese Partnerschaften ermöglichen es uns, unsere Produktionskapazitäten effizient und flexibel zu erweitern, um die wachsende Nachfrage zu bedienen. Die Pilotanlagen in Berlin und Frankfurt sind vor allem als Innovations- und Entwicklungszentren zu verstehen, während die großflächige Produktion mit unseren Partnern umgesetzt wird.

LEADERSNET: Weitere Sorten wie Feta, Blauschimmelkäse und Hüttenkäse mit Koji-Protein sind geplant. Trifft das noch zu? Und: Welche Sorte kommt als nächstes?

Wohlgensinger: Als nächstes wird eine weitere Variante unserer Frischhain-Reihe auf den Markt kommen – Frischhain Tomate. Danach folgt unser Camembritz, ein cremiger Weißschimmelkäse. Im Anschluss planen wir die Einführung von Hellasdorf, einer Feta-ähnlichen Käsealternative, und Francoforte, unserer Blauschimmelkäse-Alternative. Alle basieren auf Koji-Protein. Hüttenkäse ist aktuell nicht in Planung.

Auch das TV-Format "Galileo" war bereits zu Gast bei Formo (Bild: ProSieben Sat1)
Auch das TV-Format "Galileo" war bereits zu Gast bei Formo (Bild: ProSieben Sat1)

LEADERSNET: Mit dem frischen Kapital soll auch die Internationalisierung vorangetrieben werden. Neben Österreich und der Schweiz will Formo in weitere Länder expandieren. Welche sind das?

Wohlgensinger: Neben Österreich und der Schweiz steht insbesondere der US-amerikanische Markt im Fokus unserer Expansionspläne. Die USA bieten enormes Potenzial für innovative, tierfreie Käsealternativen und wir sehen dort eine große Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln.

Neben unseren mikrofermentierten Käsealternativen eröffnet uns der US-Markt auch die Möglichkeit, unsere präzisionsfermentierten Produkte, die bioidentisches Kasein enthalten, einzuführen. Besonders attraktiv ist dabei das schnellere GRAS-System (Generally Recognized As Safe) im Vergleich zum Novel-Food-Verfahren in der EU. Dadurch können wir unsere präzisionsfermentierten Käse, die auf bioidentischem Kasein basieren, schneller auf den Markt bringen und den - zunächst amerikanischen - Konsumenten zugänglich machen.

LEADERSNET: Nicht nur Rewe, sondern auch die Zur-Mühlen-Gruppe, eine Tochter des Fleischproduzenten Tönnies, investiert. Kommt die Investitionsbereitschaft zurück?

Wohlgensinger: Das Umfeld bleibt weiterhin herausfordernd, vor allem angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten. Dennoch sehen wir, dass großartige Unternehmen mit überzeugenden Geschäftsmodellen und starken Teams nach wie vor Investoren anziehen – insbesondere im Bereich der Fermentationstechnologien.

Die Investitionsbereitschaft ist bei strategischen Partnern wie Rewe gegeben, weil sie das Potenzial in unserem Unternehmen und dem wachsenden Markt für nachhaltige Lebensmittel erkennen. Auch wenn es schwieriger geworden ist, zeigen aktuelle Finanzierungsrunden, dass innovative und zukunftsorientierte Unternehmen weiterhin Unterstützung finden.

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