LEADERSNET: Was hat Sie dazu motiviert, Unternehmerin zu werden?
Judith Dommermuth: Dazu muss ich ein wenig ausholen: Ich habe 20 Jahre gemodelt und war viel auf Reisen und alleine in Hotelzimmern. Um mich dort wohlzufühlen, wollte ich etwas Schönes anziehen, in dem ich mich geborgen und gut angezogen fühle – für mich eine Art von Selbstwertschätzung. Sportbekleidung war mir bis dahin entweder zu grau oder zu grell, nicht feminin genug und auch nicht weich genug. Und so entstand die Idee, JUVIA zu gründen – und damit bequeme, modische und alltagstaugliche exklusive Freizeitmode auf den Markt zu bringen. Letztendlich war es mein Partner, der sagte: "Du redest schon so lange davon – mach!" Ich bin ins kalte Wasser gesprungen. Es ist keine Schande, zu scheitern, aber es ist eine Schande, es nicht zu probieren.
LEADERSNET: Welche Eigenschaften halten Sie für entscheidend, um Erfolg zu haben?
Judith Dommermuth: Das A und O für wirtschaftlichen Erfolg ist Fleiß. Wer nicht bereit ist, 200 Prozent zu geben, dem rate ich von einer Selbstständigkeit ab. Es heißt nicht umsonst "selbst und ständig", und der Arbeitstag endet erst, wenn alles erledigt ist. Man muss sich auch bewusst sein, wie die Realität aussieht. Die Messesaison fällt bei uns auf Januar und Februar sowie auf Juli und August – das sind die Hauptferienzeiten. Wenn ich Kinder hätte, wären das die schönsten und wichtigsten Monate des Jahres. Es ist wichtig, bereit zu sein, auch mal einstecken zu müssen und persönliche Wünsche dem Job unterzuordnen. Ich unterstütze jeden, der den Schritt in die Selbstständigkeit wagt. Viele sind sich jedoch nicht bewusst, welche Herausforderungen damit verbunden sind.
LEADERSNET: Warum legen Kund:innen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Wert auf hochwertige Ware?
Judith Dommermuth: In wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten überlegen Kund:innen dreimal, ob sie einen Artikel wirklich benötigen oder nicht. Ich achte darauf, dass unsere Kleidung hochwertig produziert wird und in Europa gefertigt ist. Mir war und ist die Haptik wichtig. Die Langlebigkeit eines Artikels ist von großer Bedeutung. Für mich sollten Artikel vielseitig kombinierbar sein und sich gut in den Alltag integrieren lassen. Ich selbst war beispielsweise schon immer eine Trägerin von Lieblingsteilen. Ich erinnere mich an eine Jeans mit Leo-Print, die hatte ich gleich dreimal im Schrank. Ich setze auf hochwertige Einzelteile, die es mir ermöglichen, bestehende Outfits aufzufrischen.
LEADERSNET: Inwieweit sind Sie in den Produktionsprozess involviert?
Judith Dommermuth: Bei jedem einzelnen Fitting achte ich darauf, dass ich jeden Artikel persönlich anprobiere und die Passform überprüfe. Die Produktion erfolgt in Portugal, und die Artikel gehen direkt ins Lager. Jedes Kollektionsteil wird stichprobenartig kontrolliert, um sicherzustellen, dass es unseren hohen Standards entspricht. Übrigens, ein spannender Fakt: Als wir 2013 gestartet sind, haben wir eine Musterkollektion erstellt und dem Einzelhandel präsentiert, um herauszufinden, was benötigt wird und was es wert ist, produziert zu werden. Wir haben nach Orderbüchern gearbeitet, um das Risiko gering zu halten.
LEADERSNET: Warum ist Ihnen die eigene Qualitätskontrolle so wichtig?
Judith Dommermuth: Eine Produktion, die nicht 1A geworden ist, schicke ich zurück und produziere sie eventuell noch einmal neu. Andernfalls würde ich minderwertige Ware ausliefern, was ein größerer Bumerang für uns sein könnte.
LEADERSNET: Wie haben Sie sich Ihr Wissen erarbeitet?
Judith Dommermuth: Das Modeln war für mich die beste Schule fürs Leben – ich habe Fleiß und Durchhaltevermögen gelernt. Wenn eine Familienfeier anstand, mich mein Kunde aber gebucht hatte, musste ich arbeiten gehen… Zudem habe ich ein Vordiplom in Betriebswirtschaftslehre und hatte ursprünglich vor, während des Studiums ein Jahr lang zu modeln, bin jedoch nie wieder zurückgekehrt. Das Grundwissen in Betriebswirtschaft ist also vorhanden (lacht). Zudem stammt mein Ex-Mann und heutiger Co-Geschäftsführer Bernd Berger aus einer Mode-Dynastie. Durch ihn habe ich wertvolle Einblicke in die Branche gewonnen, beispielsweise in Stoffmuster, Produktion und Zeitplanung. Bei meiner ersten Produktion konnte ich auf sein Netzwerk zurückgreifen, und noch heute arbeite ich eng mit dem Designteam von Bernd Berger zusammen. Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben. Mein Quereinstieg war für mich die beste Entscheidung.
LEADERSNET: Eine Unternehmerin, die mit Herz und Leidenschaft agiert?
Judith Dommermuth: Wenn man erfolgreich ist, ist es eines der schönsten Dinge, die man sich vorstellen kann. Die Verantwortung, die damit einhergeht, ist jedoch enorm. Ich finde es daher wichtig, das Thema Gründung nicht zu glorifizieren. Einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg ist, dass es nicht nur um die Idee selbst geht. Es muss auch der richtige Zeitpunkt und der passende Ort gegeben sein. Das Team muss sorgfältig ausgewählt sein. Wenn man beispielsweise mit einer Freundin als Geschäftspartnerin gründet, ist es wichtig, dass beide ähnliche wirtschaftliche Interessen haben. Derjenige, der ein Haus abbezahlt, könnte andere Prioritäten setzen als jemand, der bereit ist, Gewinne zu reinvestieren und lieber ein Marketing investieren möchte.
LEADERSNET: Welche Trends sehen Sie im E-Commerce?
Judith Dommermuth: E-Commerce ist aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Der klassische Einzelhandel hat den Vorteil, dass wir in Kontakt mit den Kunden kommen, die die Marke noch nicht kennen, und dadurch nicht festgelegt sind. Wenn wir die Kunden überzeugen, kommen sie als Stammkunden in den Online-Shop. Hier können wir eine Community aufbauen, Stammkunden gewinnen und die Vermarktung optimieren. JUVIA ist für jedes Alter passend – und bringt Verlässlichkeit. Wer einmal seine Passform gefunden hat, kann immer wieder auf sie zurückgreifen.
LEADERSNET: Welche Rolle spielt Influencer-Marketing in Ihrem Unternehmen?
Judith Dommermuth: Influencer erreichen die junge Zielgruppe und haben eine enorme Reichweite. Dabei ist es wichtig, authentisch zu bleiben. Bei Influencern, die Millionen Follower haben, heißt es nicht, dass sie direkt einen riesigen Umsatz generieren. Das haben wir selbst schon erlebt… Man muss den Influencern abnehmen, dass sie JUVIA wirklich gerne tragen.
LEADERSNET: Warum beschäftigen Sie hauptsächlich Frauen?
Judith Dommermuth: Das haben wir uns nicht explizit zum Ziel gesetzt. Bei 38 Mitarbeitenden sind es drei Männer. Berufe wie Schnitttechnik, Design und Grafikdesign sind traditionell stärker von Frauen geprägt. Sollte es passende Kandidaten geben, würden wir natürlich auch mehr Männer für diese Positionen einstellen.
LEADERSNET: Welche Visionen leben Sie?
Judith Dommermuth: Unsere Pläne entwickeln sich organisch, ohne dass wir auf einen großen Investor angewiesen sind, der einen strikten Businessplan vorgibt. Statt auf schnelles Wachstum um jeden Preis zu setzen, streben wir ein nachhaltiges, gesundes und solides Wachstum an. Wir legen Wert darauf, eine vielfältige Kundenstruktur zu pflegen. Man muss sich bewusst sein: Man kann nur so gut sein, wie das Team es ist.
Kommentar schreiben