In einem Jahr, in dem eine rekordhohe Inflation, steigende Zinsen und Rezessionsängste die Märkte beherrschten, wagte sich kaum ein Unternehmen an die Frankfurter Börse: Nur vier Firmen gelang 2022 der Sprung auf das Frankfurter Parkett (2021: 18). Sie spielten dabei 9,4 Milliarden Euro ein (2021: 9,5 Milliarden Euro).
Einzig dem Porsche-Börsengang im dritten Quartal (LEADERSNET berichtete) ist es zu verdanken, dass das Emissionsvolumen 2022 auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr lag. Ohne diesen Mega-IPO, der allein 9,1 Milliarden Euro in die Kassen spülte und damit die zweitgrößte Erstnotiz in der deutschen Geschichte darstellt, wäre 2022 als schwächstes IPO-Jahr seit 2009 in die Geschichte eingegangen. Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse "Emissionsmarkt Deutschland", für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC vierteljährlich die Aktienneuemissionen sowie die Kapitalerhöhungen an der Börse Frankfurt erfasst.
Schlussquartal mit eine äußersts mageren Bilanz
Auch wenn es an den Kapitalmärkten zum Jahresende leicht bergauf ging, fand im Schlussquartal kein einziger Börsengang mehr statt. Von den vier IPOs im Gesamtjahr waren zwei so genannte Special Purpose Acquisition Companies (kurz: SPACs), also Mantelgesellschaften ohne operatives Geschäft, die über den Börsengang Geld einsammeln, um damit in der Folge ein oder mehrere Unternehmen zu übernehmen.
"Steigende Zinsen, eine anhaltend hohe Inflation und die wachsenden Sorgen vor einer Rezession setzten den Kapitalmärkten im Jahr 2022 zu. Deutliche Korrekturen an den Märkten und die damit einhergehende hohe Volatilität sorgten für ein schwieriges Klima, das Börsengänge in Deutschland fast vollständig ausbremste", fasst Nadja Picard, Capital Markets Leader für PwC Deutschland, die Gründe für das schwache IPO-Jahr zusammen.
Nadja Picard © PwC Deutschland
Und auch in Sachen Kapitalerhöhungen endet das Krisenjahr 2022 enttäuschend: Lediglich zwei Unternehmen aus der Konsumgüter- bzw. Finanzbranche besorgten sich im vierten Quartal via Kapitalerhöhung frisches Geld am Aktienmarkt: tonies SE besorgte sich über eine Kapitalerhöhung 60 Millionen Euro für weiteres Wachstum und die internationale Expansion. Der Vermögensverwalter Lloyd Fonds konnte über eine Kapitalerhöhung fünf Millionen Euro einspielen, um den Grundstein für die Finanzierung weiterer Akquisitionen zu legen. Sowohl die Anzahl der Kapitalerhöhungen (23) als auch das Volumen (1,3 Milliarden Euro) liegt für 2022 jedoch deutlich unter dem Vorjahresniveau. 2021 kam es immerhin zu 60 Kapitalerhöhungen bei einem Volumen von 16,7 Milliarden Euro.
Lichtblick bei den Fremdkapitalemissionen
Einzig bei den Fremdkapitalemissionen gibt es positive Signale: Im Schlussquartal 2022 erreichten die Neuemissionen von Bonds im Investment Grade ein Volumen von rund 10,9 Milliarden Euro. Das Gesamtvolumen fällt für 2022 zwar schwächer aus als in den Vorjahren, aber die Botschaft ist laut Stephan Wyrobisch, PwC-Experte für IPOs, klar: "Die Investment Grade-Märkte sind weiterhin offen für Fremdkapitalaufnahmen und funktionsfähig - und trotzen damit dem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld, in dem Investoren nach vermeintlich sicheren Investitionsmöglichkeiten mit soliden Renditeversprechen suchen."
Anders sieht es im High-Yield-Grade aus: Nachdem der Markt für High-Yield-Bonds im zweiten Quartal 2022 vollständig zum Erliegen kam, blieb eine schnelle Erholung auch im zweiten Halbjahr aus. Nur vereinzelt standen High Yield Bonds zur Aufnahme von Fremdkapital zur Verfügung. Im Schlussquartal blieben mit nur einer Emission sowohl Anzahl als auch Volumen der High Yield Bond-Emissionen weiterhin deutlich unter den Vorjahresquartalen.
Verhaltener Ausblick auf 2023
Mit Blick auf das neue Jahr dämpft PwC-Experte Stephan Wyrobisch die Erwartungen: "Selbst wenn der Höhepunkt der Inflation hinter uns liegen sollte und weitere Zinsschritte dadurch gegebenenfalls kleiner ausfallen als zuletzt, ist das wirtschaftliche Umfeld im Moment äußerst schwierig und daher die Unsicherheit am Kapitalmarkt sehr groß."
Stephan Wyrobisch © PwC Deutschland
Nadja Picard ist ebenfalls zurückhaltend: Sie geht nicht davon aus, dass es in der ersten Jahreshälfte 2023 einen IPO-Boom an der Frankfurter Börse geben wird: "Es ist zwar möglich, dass sich im ersten oder zweiten Quartal ein Zeitfenster öffnet, in dem sich ein Börsengang gut realisieren lässt. Schließlich ist die Pipeline an Börsenaspiranten seit zwei Jahren gut gefüllt, wird aber aufgrund der widrigen Bedingungen nicht abgearbeitet. Aber weder bei den IPOs noch bei den Kapitalerhöhungen erwarten wir im aktuellen Umfeld eine Erholung des Marktes", so das Fazit der Expertin.
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