Ein Leser fragte mich erst kürzlich: Gibt es eine Möglichkeit zu sagen, wann eine Aktie wahrscheinlich ihren Höhepunkt erreicht hat? Zum Beispiel erreichte Wirecard im Jahr 2018 seinen Allzeit-Höhepunkt und befand sich danach stetig im Fall und wurde letztendlich gänzlich wertlos.
Die meisten Unternehmen sind Verlierer
Es gibt eine Reihe von Anlagesünden. Aber man kann sie alle toppen. Die Kardinalsünde der Anlage: Risiken nicht zu streuen. Seit den 1920er Jahren erzielten mehr als die Hälfte aller börsennotierten Unternehmen weniger Rendite als Spareinlagen. Mit anderen Worten, man wäre besser dran, Vermögenswerte in risikofreie Spareinlagen zu investieren, als diese Aktien zu besitzen. Tatsächlich lieferte etwa die Hälfte der Stammaktien negative Gesamtrenditen.
Jetzt kommt der eigentliche Clou: Die Aktien mit der besten Wertentwicklung, nämlich lediglich vier Prozent aller Aktien, sind für den gesamten Kursgewinn des Aktienmarktes über Spareinlagen hinaus verantwortlich waren. Die verbleibenden 96 Prozent der Unternehmen erwirtschafteten zusammen Renditen, die Spareinlagen entsprachen. Diese Erkenntnisse haben tiefgreifende Auswirkungen auf Anleger. Wenn nur vier Prozent der Aktien – die Gewinner – den Löwenanteil der Aktienmarktrenditen ausmachen, sollten Anleger diese besitzen, ansonsten sind sie dazu verdammt, hinter den Renditen des Gesamt-Marktes zurückzubleiben.
Wenn Sie in Gesamtmarkt-Indexfonds investieren, werden Sie diese Gewinner standardmäßig besitzen. Wenn Sie andererseits einzelne Aktien auswählen, stehen Ihre Chancen nicht gut, sondern gegen Sie. Aber nehmen wir an, Sie sind wirklich schlau (oder glücklich) und wählen zufällig einen fairen Anteil der Gewinner aus. Sie stehen vor einer weiteren großen Hürde, nämlich dass Sie Ihre Gewinner behalten müssen und diese nicht vorzeitig verkaufen dürfen. Das ist leider leichter gesagt als getan. Die meisten Anleger zeigen eine starke Tendenz, ihre Gewinner zu verkaufen und ihre Verlierer länger zu halten.
Ein diversifiziertes Portfolio ist ein starkes Portfolio
Grundsätzlich haben Sie eine viel höhere Wahrscheinlichkeit, einen Mega-Verlierer als einen Mega-Gewinner in Ihrem Portfolio auszuwählen. Aber aufgrund des Survivorship Bias hören wir viel mehr Geschichten über die Gewinner als über die Verlierer. Niemand prahlt gerne mit einer Aktie, durch die er tonnenweise Geld verloren hat. Jeder liebt eine Geschichte über eine Aktie, die jemandem viel Geld eingebracht hat. Die Sieger schreiben die Geschichtsbücher. Wie man Unternehmen erkennt, die am Abgrund des Untergangs stehen, ist sehr schwer zu beantworten. Es zeigt sich jedoch, dass es sich meistens nicht um eine schlechte Unternehmensführung wie bei Wirecard oder Wienwert handelte. Typischerweise waren es äußere Kräfte, die Probleme verursachten. Dazu zählen:
- Rohstoff- oder Warenpreise
- Regulierungen bzw. Deregulierungen von Seiten des Gesetzgebers
- Verlust der Preissetzungsmacht
- Technische Innovation und Verletzungen des geistigen Eigentums
- Betrug
- Protektionistische Handelspolitik
- Globalisierung und ausländische Wettbewerber
Meist ist nicht immer ein Problem für die Misere der jeweiligen Unternehmen verantwortlich, sondern eine Kombination aus Faktoren wie Innovation und Obsoleszenz, welche dann Verlierer auf den Finanz- und Kapitalmärkten schaffen. Die größte Anlagesünde könnte auch erklären, warum es aktiven Managern so schwerfällt, simple Indexfonds zu schlagen. Ungeachtet der niedrigeren Gebühren haben kapitalisierungsgewichtete Indexfonds gegenüber ihren aktiv verwalteten Fonds grundlegende Charakteristika. Wie bereits erwähnt, besitzt ein Gesamtmarkt-Indexfonds per Definition alle Gewinner. Noch wichtiger ist, dass es sie längerfristiger behält. Indexfonds sind weder versucht, die Gewinner zu verkaufen, noch ihr Ego zu bewahren.
Diversifikation (Risikostreuung) schützt – Simpel aber nicht einfach
Die meisten Unternehmen übertreffen die Renditen von Spareinlagen während ihrer Lebensdauer nicht. Die Forschungsergebnisse unterstreichen das Risiko, das in einzelnen Aktienrenditen gefunden wird. Die Implikation ist verblüffend: Während den Anlegern eine große Aktienrisikoprämie zur Verfügung steht, weisen die meisten Aktien negative Risikoprämien auf. Dieses Ergebnis zeigt, wie groß das unkompensierte Risiko ist, das Anleger beim Kauf einzelner Aktien eingehen – Risiken, die wegdiversifiziert werden können, ohne die erwarteten Renditen zu mindern. Solche Ergebnisse helfen zu erklären, warum aktive Strategien, die tendenziell schlecht diversifiziert sind, meistens zu unterdurchschnittlichen Renditen führen.
Die Ergebnisse zeigen, die wichtige Rolle der Portfoliodiversifizierung hervorzuheben – die angeblich das einzige "free lunch" beim Investieren ist. Leider nutzen die meisten Anleger nicht das volle "Buffet", das ihnen zur Verfügung steht.
Was ist mein Rat an Sparer und Anleger? Durch eine Aufteilung Ihrer Vermögenswerte auf unterschiedliche Vermögensklassen können Sie die Rendite steigern und das Risiko senken. Die Ereignisse für welche Kurskorrekturen verantwortlich sind, sind durchwegs unterschiedlich (die Weltkriege, Technologieblase 2000/01, Immobilien- und Finanzkrise 2007/08). Diese lassen sich lediglich rückblickend feststellen. Die darauffolgenden Ereignisse sind jedoch durch eine klarere Brille zu erkennen: Jedes Mal nach scheinbar unüberbrückbaren Ereignissen finden die Wirtschaft und die Finanzmärkte wieder auf die Beine. Und jedes Mal mündet der Weg in steigende Kurse.
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