Die Werbe- und Marketingbranche suchte 2021 händeringend nach Arbeitskräften. Das geht aus der jüngsten Analyse des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) hervor. Die Jobofferten legten gegenüber 2020 um 90 Prozent auf 9.611 zu und übertreffen damit nicht nur das Vorkrisenjahr 2019, sondern erreichen ein Level wie zuletzt vor 21 Jahren.
Marketingleiter stark nachgefragt
Nach dem deutlichen Minus von 35 Prozent in 2020 hatte bereits die ZAW-Halbjahresbilanz 2021 die positive Richtung mit fast 60 Prozent plus bei den Stellenangeboten angezeigt. In den Folgemonaten beschleunigte sich diese Entwicklung noch weiter. Vor allem die Agenturen suchten 2021 neue Mitarbeiter:innen, sie stellten 51 Prozent der Jobangebote und damit drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr, gefolgt von den werbenden Unternehmen mit rund 38 Prozent (2020: 40 Prozent). Die Offerten der Medien blieben mit elf Prozent stabil.
Die werbenden Unternehmen suchten vor allem Personal im Bereich Marketing und Werbung mit zwei Dritteln (2.171) der 3.236 Jobangebote. Knapp die Hälfte der Angebote galt der Führungsebene: Marketingleiter waren 2021 stark nachgefragt.
© ZAW
Handel suchte die meisten Werbefachleute
Der stationäre Handel suchte bei den Branchen die meisten Werbefachleute und auch der Online-Handel lag weit vorn. Handelsverband-Deutschland-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: "Der Einzelhandel ist traditionell der wichtigste Anzeigenkunde für viele Medien. Das Management der Werbeanzeigen und des Marketings erfordert den Einsatz von zahlreichen Fachkräften. Die Corona-Pandemie hat auch den Medienmarkt und die Kundenbedürfnisse verändert, das hat einen weiteren Bedeutungszuwachs des Marketings zur Folge. Deshalb werden im Einzelhandel vielerorts entsprechende Fachkräfte gesucht."
Auch bei den Agenturen waren die kaufmännischen Berufe, Fachkräfte für Marketing und Werbung sowie Account Manager gesucht, und lagen damit vor den klassischen Agenturberufen Art-Direktoren und Texter. Bei den Medien lagen über den zweitplatzierten Mediaexperten ebenfalls die Marketing- und Werbefachleute an Position eins. Blickt man auf die wirtschaftlichen Boomjahre 1999/2020 zurück, befanden sich zu der Zeit die Experten für Marketing und Werbung an fünfter Position der Jobangebote – weit gefragter waren in diesen Jahren klassische Agenturberufe wie Grafiker/Mediendesigner, Kontakter oder Art-Direktoren.
Arbeitslosenzahlen deutlich rückläufig
Parallel zur ZAW-Auswertung der Stellenangebote unterstreichen die sinkenden Arbeitslosendaten der Bundesagentur für Arbeit das Bild eines positiven Jahres 2021 im Bereich Marketing und Werbung. Die Arbeitslosenzahlen gingen um rund 23 Prozent auf 23.753 zurück (Vorjahr: 30.994). und nähern sich dem Vorkrisenjahr 2019 mit 22.508 (jeweils Monat Dezember).
"Der Arbeitsmarkt der Werbung spiegelt mit seinem extremen Auf und Ab in den zwei zurückliegenden Jahren die wirtschaftlich außerordentlich schwierigen Bedingungen wider, die die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung mit sich gebracht haben", teilt der ZAW mit. "Ein struktureller Fachkräftemangel, Budgetverschiebungen in Richtung der Megaplattformen und mögliche Werberestriktionen werden die Werbebranche aber auch zukünftig begleiten und auch deren Arbeitsmarkt bestimmen."
GWA-Präsidentin Larissa Pohl ergänzt: "Die Zahlen der ZAW-Stellenanalyse decken sich mit unseren Erhebungen unter den GWA-Agenturen. Der Fachkräftemangel und das Rekordhoch offener Stellen sind aktuell das größte Wachstumshemmnis der Agenturbranche. Unsere Branche ist gefragt, die Herausforderung weitaus intensiver und ganzheitlicher anzugehen als bisher."
2022 bleibt von Corona geprägt
2022 werde auf vielerlei Ebenen kein einfaches Jahr werden, "wenn die Inflationsentwicklung nicht in Schranken gewiesen wird, ein weiterer Corona-Winter aufzieht und die Agenda der neuen Bundesregierung nur bedingt den Wert der Werbung und ihren public value anerkennt", warnt ZAW-Präsident Andreas F. Schubert.
Teilmärkte der Werbewirtschaft performen außerordentlich – vor allem die digitale Werbung und damit die Megaplattformen. Dies habe aber nicht nur mit dem Digitalisierungsboost durch Corona zu tun, sondern vor allem mit Regulierungslücken, die geschlossen werden müssten, kritisiert Schubert. Zugleich stünden weitere Weichenstellungen an – auf europäischer wie nationaler Ebene. Beim Digital Services Act (DSA) und der E-Privacy-Richtlinie und im Zusammenhang mit dem Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) drohen Bedingungen, die den großen Plattformen weitaus weniger Schwierigkeiten bereiten werden als anderen Publishern.
Schubert: "Dazu kommen Werbeeinschränkungen für bestimmte Produkte: Nachdem die Tabakwerbung durch ein fast komplettes Werbeverbot abgeschafft wurde, werden weitere Pläne diskutiert. Die Politik sollte nicht vergessen, dass die Werbewirtschaft ein großer Arbeitsgeber ist und rund 900.000 Menschen beschäftigt." (as)
www.zaw.de
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