Wie ist es mittelständischen Unternehmensübernahmen im wirtschaftlich schwierigen Jahr 2019 und im ersten Corona-Jahr 2020 ergangen? Diese Frage beantwortet der so eben erschienene "Nachfolgemonitor 2022".
Trotz des problematischen Umfelds konnten Nachfolger die Umsätze der von ihnen im Jahr 2018 erworbenen Unternehmen auch noch in 2020 durchschnittlich auf dem Niveau halten, das zwei Jahre vor der Übernahme erreicht worden war. In diesem zweijährigen Vorher/Nachher-Vergleich brachen die Gewinne jedoch deutlich ein, während der "Nachfolgemonitor 2021" noch eine positive Gewinnentwicklung vermerken konnte. Überraschenderweise sind dafür aber nicht allein "die Krisen" verantwortlich. Im Zusammenhang mit dem Alter und den Investitionsstrategien der übergebenden Firmeninhaber deckt der "Nachfolgemonitor" ein zunehmendes Generationenproblem auf.
Fehlende Investitionen in Digitalisierung
Wie bei den vorherigen drei Ausgaben seit 2019 beruht die Studie "Nachfolgemonitor 2022" auf Daten der regionalen Bürgschaftsbanken, die unter der wissenschaftlichen Leitung von Holger Wassermann ausgewertet wurden. Wassermann nutzt dafür seine Expertise aus der Mittelstandsforschung an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management sowie seine praktische Erfahrung als Geschäftsführer der Intagus GmbH, einer Unternehmensberatung für M&A-Transaktionen im Mittelstand.
"Die vorliegenden Langzeitdaten interpretiere ich dahingehend", so erläutert Wassermann, "dass viele Alteigentümer in den Jahren vor der Übernahme Investitionen unterlassen, insbesondere bei der Digitalisierung. Im Hinblick auf die nicht bekannten IT-Strukturen eines künftigen Nachfolgers ist das sogar rational, aber die Übernehmenden müssen diese Investitionen dann nachholen".
"Digital Natives" stoßen auf traditionelle Geschäftsprozesse
Hinsichtlich des Einsatzes moderner Digital-Technologien nimmt Holger Wassermann dabei einen immer deutlicheren Bruch zwischen den Einstellungen der Altinhaber und denen der Nachfolgerinnen und Nachfolger wahr: "Unternehmensnachfolger sind typischerweise zwischen und 30 und 40 Jahre alt und sie sind zeitlich mit dem Computer und der Entwicklung des Internets in die Ausbildung und das Berufsleben eingetreten. Selbst jene Eigentümer, die bereits im relativen frühen Alter zwischen 55 und 65 Jahren die Unternehmensnachfolge anstreben, wuchsen hingegen mit traditionellen Geschäftsprozessen auf. Immerhin 13 Prozent aller übergebenden Unternehmer sind sogar älter als 70 Jahre. Da kann es dann jeweils erheblichen Veränderungsbedarf geben, um die entsprechenden Unternehmen der aktuellen Marktentwicklung anzupassen."
In Krisenzeiten gelingt diese Anpassung den Unternehmerinnen anscheinend weniger gut als den männlichen Nachfolgern. Die bereits im Juli veröffentlichte Sonderauswertung zu den Übernahmen im Handwerk hatte ergeben, dass Unternehmerinnen dieses Sektors nachhaltig erfolgreicher operieren als männliche Inhaber. Diese Aussage lässt sich mit Bezug auf alle anderen Wirtschaftszweige jetzt nicht mehr wiederholen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Frauen im Durchschnitt eher kleine und kleinste Unternehmen erwerben.
"Dabei bestätigen sich traditionelle Rollenmuster der Geschlechter: Die Zielunternehmen bei der Unternehmensnachfolge von Frauen, auf die rund ein Viertel aller Unternehmensnachfolgen entfallen, konzentrieren sich auf die Bereiche 'Soziale Betreuung älterer und behinderter Menschen', die Hotellerie sowie die Gastronomie", teilten die "Nachfolgemonitor"-Macher mit.
Übernahmeboom bei "grünen" Branchen
Beim Langzeit-Blick auf einzelne Branchen und die Anzahl der Nachfolgen fallen weitere Besonderheiten auf: Unternehmen, deren Produkte zu einer nachhaltigen, umweltfreundlichen Lebensweise beitragen, werden als Übernahmeziele immer beliebter. So "boomten" nicht nur die Übernahmen in der Heizungs- und Klimatechnik, sondern auch im Fahrradhandel und bei Campingartikeln.
In Regionen abseits größerer Städte finden sich Unternehmensnachfolger immer seltener. Das verstärkt die Probleme dieser oft an sich schon wirtschaftsschwachen Gebiete. Professor Wassermann empfiehlt deshalb eine verstärkte Beobachtung des Nachfolgebedarfs im ländlichen Raum und dessen gezielte Unterstützung. "Insbesondere der Ausbau der Breitbandverkabelung würde Flächenregionen als Standorte für Nachfolger attraktiver machen," meint Holger Wassermann: "Home-Office und remotes Arbeiten wären erleichtert, so dass sich auch der Fachkräftemangel lindern ließe."
www.intagus.de
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