Kaliforniens Gouverneur ruft ins Gedächtnis
Sie besitzen Ihre "gekauften" digitalen Produkte nicht wirklich

| Redaktion 
| 03.10.2024

Das Aus eines mittelmäßigen Rennspiels von 2014 führt zehn Jahre später zu einer globalen Verbraucherinitiative und in den USA zu einem Gesetz, mit dem das Wort "kaufen" aus den Online-Stores für digitale Medienprodukte verbannt werden könnte. Schließlich tun Kunden genau das mit einer Transaktion nicht wirklich – ein Thema, das bald auch den Bundestag beschäftigen dürfte.

Wer in den eigenen vier Wänden (legalen) Zugriff auf eine umfangreiche Filmauswahl genießen wollte, musste sich bis vor ein paar Jahren ausgiebig mit physischen Trägermedien eindecken. Langjährige Heimcineasten haben so zunächst fleißig VHS-Kassetten, dann DVDs und anschließend Blu-Rays gesammelt – und womöglich wurde die Kollektion zwischendurch sogar um letztlich gescheiterte Formate wie Laserdisc oder HD DVD erweitert.

Heute ist es für viele Menschen absolut üblich, die eigene Filmbibliothek vom Sortiment gängiger Streamingdienste wie Netflix, Prime Video oder Disney+ abhängig zu machen. Ein monatliches Abonnement erlaubt es Kunden, auf tausende Streifen mühelos zuzugreifen, ohne dass sie dadurch zu Besitzern des jeweiligen Films werden würden. Anders sieht es aus, wenn man ein digitales Produkt ganz regulär zum Vollpreis im Onlineshop von Amazon, Sony, Microsoft und anderen Anbietern kauft… oder?

Christopher Nolan erklärt das Problem

"Wenn du eine 4K UHD oder eine Blu-Ray kaufst und in dein Regal stellst, gehört sie dir. Kein Unternehmen wird in dein Haus einbrechen und sie dir wieder wegnehmen – du besitzt sie. Bei digital vertriebenen Produkten ist das nie so wirklich der Fall. Hier verlässt du dich auf die anhaltende Gesundheit des Unternehmens, das das Produkt bereitstellt. […] Eine Menge der wirtschaftlichen Entscheidungen rund ums Heimkino basierten schon immer darauf, möglichst kurzfristiges Wachstum vorweisen zu können und weniger auf dem Allgemeinwohl des Geschäfts“, erklärte Oscarpreisträger Christopher Nolan im Zuge der "Oppenheimer"-Pressetour gegenüber IGN.

Ein aktuell vieldiskutiertes Beispiel für die von Nolan beschriebene Gefahr kommt aus dem Gaming-Bereich: Das 2014 von Ubisoft veröffentlichte Rennspiel "The Crew" verlangte von Spielern eine dauerhafte Internetverbindung. Aufgrund ausgelaufener Lizenzen und hoher Erhaltungskosten schaltete der französische Publisher im April dieses Jahres jedoch die entsprechenden Server ab, wodurch "The Crew" effektiv unspielbar gemacht und obendrauf komplett aus den Bibliotheken mehrerer Millionen Gamer entfernt wurde.  

Server-Aus mit Folgen

Infolgedessen kam die vor allem online angetriebene Initiative Stop killing Games auf, die sich zur Erhaltung von Spielen auch nach dem Abschalten dazugehöriger Server einsetzt. Bis Mitte nächsten Jahres sollen eine Million Signaturen unter einer Petition landen, die anschließend dem Europäischen Parlament vorgelegt wird.

Zentrale Forderung ist es, "Herausgeber, die Videospiele an Verbraucher in der Europäischen Union verkaufen oder lizenzieren, zu verpflichten, diese Videospiele in einem funktionalen (spielbaren) Zustand zu belassen. Insbesondere soll die Initiative verhindern, dass Videospiele aus der Ferne abgeschaltet werden, bevor die Möglichkeit geboten wurde, sie ohne Beteiligung der Herausgeber auch weiterhin zu spielen."

Bei Ubisoft hat man auch ohne EU-Beschluss zumindest bezüglich der beiden Nachfolger "The Crew 2“ und "The Crew Motorfest“ eingelenkt: Im September versprach der krisengebeutelte Publisher, dass beide Spiele zu einem bisher nicht näher eingegrenzten Zeitraum einen Offline-Modus erhalten sollen, sodass sie auch nach einem eventuellen Server-Aus nutzbar wären.

Ein Beispiel aus Deutschland und Österreich

… führt Gaming und Filme auf gewisse Weise zusammen: Deutsche und österreichische User des Playstation Stores werden sich womöglich an den Sommer 2022 erinnern, als Sony ihnen mitteilte, dass wegen "sich entwickelnden Lizenzvereinbarungen mit Inhaltsanbietern" bald kein Zugriff auf bereits gekauften Content von Studio Canal mehr möglich sei.

Damit sind seinerzeit Blockbuster, Klassiker und Kulthits wie "La La Land“, "Paddington“, "The Hunger Games“, "Die durch die Hölle gehen“, "John Wick“, "Stargate“ oder "Eiskalte Engel“ neben knapp 300 weiteren Filmen offenbar unwiederbringlich aus den Bibliotheken von Menschen verschwunden, die sie vorher mit ihrem eigenen Geld erworben – oder das zumindest geglaubt - haben.

Was will Kaliforniens Gouverneur tun?

Wie unter anderem The Verge berichtet, hat der US-amerikanische Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien, der Demokrat Gavin Newsom, nun ein Gesetz namens AB 2426 unterzeichnet, das dem "verschwindenden" Kauf von digitalen Spielen, Filmen, Musik und E-Books entgegentreten soll.

Ab kommendem Jahr verpflichtet es digitale Shops dazu, ihren Kunden klar zu kommunizieren, dass sie lediglich eine Lizenz für die Nutzung eines digitalen Produktes erwerben, anstatt zu suggerieren, dass sie dieses durch die Transaktion tatsächlich besitzen würden.

Es muss eine Liste mit allen denkbaren Einschränkungen vorgelegt und herausgestellt werden, dass die erstandene Lizenz theoretisch jederzeit widerrufen werden kann. Ohne entsprechende Disclaimer sind Vokabeln wie "kaufen" oder "erwerben" nicht mehr gestattet und können wegen unzulässiger Werbung zu Geldstrafen führen.

Nur ein Gesetz gegen irreführende Vokabeln

"Da sich die Einzelhändler zunehmend vom Verkauf physischer Medien abwenden, wird der Verbraucherschutz beim Kauf digitaler Medien immer wichtiger", wird die kalifornische Abgeordnete Jacqui Irwin zitiert.

Irwin weiter: "Ich danke dem Gouverneur für die Unterzeichnung von AB 2426, das sicherstellt, dass die falsche und irreführende Werbung von Verkäufern digitaler Medien, die den Verbrauchern fälschlicherweise vorgaukeln, sie seien Eigentümer ihrer Einkäufe, der Vergangenheit angehört."

Kurzum macht sich das Gesetz anders als "Stop Killing Games“ nicht etwa für eine dauerhafte Erhaltung von digitalen Medien, sondern lediglich für mehr Transparenz gegenüber der Kundschaft stark. Es bleibt abzuwarten, ob die Betreiber betreffender Online-Shops die gewünschten Hinweise und das angepasste Wording von sich aus und ohne weitere Gesetze präventiv gleich international implementieren – andernfalls dürfte sich der Bundestag umso eher mit einer eigenen Regelung zur Lizenzierung digitaler Medien befassen.

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV