Zahlen für ein Grundrecht?
Illegal oder egal? "Pay or Okay“-Lösungen in der Kritik

| Natalie Oberhollenzer 
| 05.03.2024

Zahlreiche konventionelle und soziale Medien im Netz haben kostenpflichtige Abo-Modelle eingeführt, die User:innen einen Konsum ohne Werbetracking ermöglichen sollen. Datenschützer kritisieren, dass das mit der ursprünglichen Idee der DSGVO nichts zu tun hat. Hat sich der Markt in eine illegale Technologie verrannt?

Die Einführung von Abonnement-Modellen bei Onlinemedien und zuletzt großen sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram hat eine Diskussion über den Wert persönlicher Daten und der Rechtmäßigkeit dieser Modelle entfacht. Meta Platforms, Inc. etwa bietet seit November 2023 Nutzern in der EU zwei Optionen: ein werbefreies Abonnement oder die kostenlose Nutzung mit personalisierter Werbung, basierend auf der Einwilligung zur Datenverarbeitung. Datenschutzaktivisten und Aufsichtsbehörden sind alarmiert.

Beispiel Meta: Keine wirklich freie Wahl

Der Verein NOYB etwa initiierte eine Beschwerde gegen Metas neues Abonnementmodell, die sich auf die potenzielle Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) konzentriert. Die Beschwerde legt nahe, dass die Wahl zwischen einem kostenpflichtigen Abonnement und der Einwilligung in die Datenverarbeitung für personalisierte Werbung nicht wirklich frei sei. Sprich, dass Nutzer:innen gezwungen werden für den Schutz ihrer Privatsphäre zu zahlen – einem Recht, das der DSGVO zufolge jeder EU-Bürger ohnehin genießen sollte.

251 Euro pro Jahr – nur für Facebook und Instagram

Die Debatte dreht sich auch um die wirtschaftlichen Implikationen. Kritiker argumentieren, dass eine "Datenschutzsteuer" entstehen könnte, die nur wohlhabende Nutzer sich leisten können. So rechnet Max Schremx von noyb vor, dass Instagram- und Facebook-User:innen demnach Gebühren von bis zu 251 Euro im Jahr zahlen müssten, nur um dem Tracking für personalisierte Werbung zu entgehen. Die Offenheit und Zugänglichkeit des Internets könnte dadurch bedroht sein, wenn Nutzer für den Verzicht auf personalisierte Werbung zahlen müssen, argumentiert Schrems.

Andererseits müssen Unternehmen wie Meta und andere Firmen aus dem Verlagsgeschäft Wege finden, ihre Dienste in einem zunehmend regulierten Umfeld zu monetarisieren. Sollte ihnen ein Werbetracking untersagt werden, müssen sie den Umsatz anderswo hereinholen.

Auch die Verlagshäuser sind betroffen

Bereits im August 2021 legte noyb Beschwerde gegen die Cookie-Paywalls von sieben großen Nachrichten-Websites ein: SPIEGEL.deZeit.deheise.deFAZ.netderStandard.atkrone.at und t-online.de. Der Vorwurf damals: Die Verlagshäuser verlangten Wucherpreise für ihre Abo-Modelle. Denn während die Datenweitergabe an die großen Tech-Firmen wie Google ihnen nur ein paar Cent pro User:in brächten, würden sie mit den Abo-Modellen das zehn- wenn nicht sogar hundertfache verdienen.  

Wir brauchen ordentlich finanzierte Medien. Es ist jedoch ein Trugschluss, dass die Finanzierung unbedingt durch das Verschleudern von Userdaten an Google und Co. passieren muss. Innovative Werbesystem, die Medienhäuser selbst betreiben und bei denen sowohl Daten als auch Gewinne bei den Qualitätsmedien bleiben, sind nicht nur rechtlich geboten, sondern wohl auch eine wirtschaftliche Überlebensfrage. Aktuell werden die ehemaligen Flaggschiffe der freien Presse zu Litfaßsäulen und Datensammler für die Werbeindustrie. Wir müssen wieder zu einem System kommen, wo der Leser der Werbung folgt, nicht die Werbung dem Leser", hieß es von noyb.

Behörden auf der Suche nach Klarheit - und angemessenen Kosten

Datenschutzaufsichtsbehörden aus Deutschland, Norwegen und den Niederlanden haben angesichts der fehlenden einheitlichen Haltung zu Abonnementmodellen innerhalb Europas eine Stellungnahme des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) zur Zulässigkeit dieser Modelle beantragt. Ein zentraler Punkt der Diskussion ist auch die Höhe der Abonnementkosten und wie diese die Freiwilligkeit der Einwilligung beeinflussen könnten.

Zwischen kommerziellen Interessen und dem Schutz der Privatsphäre

Grundsätzlich geht es in der „Pay or Okay“-Frage über den Wert der Privatsphäre und die Rolle kommerzieller Interessen in digitalen Ökosystemen. Über die Balance zwischen dem Schutz persönlicher Daten und den Geschäftsmodellen der Plattformen, die diese Daten nutzen. Einen fairen Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Nutzer:innen und den Anforderungen der Unternehmen.

Die Diskussion darum könnte ein Wegweiser für die Zukunft der digitalen Rechte und des Datenschutzes in Europa sein. Ein Wendepunkt, an dem die EU und ihre Bürger:innen definieren, wie sie mit dem Thema Datenschutz umgehen und welche Rolle er in unserer digital vernetzten Welt spielt.

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