Sie treffen die Entscheidung, ein Fahrzeug zu erwerben, und kommunizieren dem Fahrzeugverkäufer, dass Sie in moralischer Hinsicht und mit Umweltbewusstsein handeln möchten – und vertrauen darauf, dass er eine geeignete Option für Sie findet. Dabei denken Sie an ein Fahrzeug, das entweder elektrisch, hybrid oder mit Wasserstoff betrieben wird. Allerdings stellen Sie dann fest, dass der Teil des neuen Fahrzeugs, der den Verbrennungsmotor umfasst, von einem deutschen Hersteller stammt, der fehlerhafte Informationen über die entsprechenden Emissionen geliefert hat (siehe den Skandal rund um die Volkswagen AG bezüglich der Abgaswerte). Wenn Anleger sich näher mit nachhaltigen Kapitalanlagen und Investitionen auseinandersetzen, werden die meisten von ihnen ähnliche Erfahrungen machen.
Auf Wachstumskurs
Grüne ESG-Investitionen (Investitionen in soziale und nachhaltige Bereiche), die auf eine Initiative der Vereinten Nationen aus den frühen 2000er-Jahren zurückgeführt werden, haben in den vergangenen zehn Jahren einen rasanten Anstieg verzeichnet. Doch stellt sich die Frage, ob nachhaltige Investitionen lediglich ein vorübergehender Trend sind und wie viel „grünes“ Engagement wirklich dahintersteckt.
Wir erleben derzeit einen Boom bei (vermeintlich) grünen Investments. Laut einem aktuellen Morningstar-Bericht gibt es weltweit mehr als 530 Index-Investmentfonds und Exchange Traded Funds (ETFs), die ihre Bestände auf ESG-Kriterien hin überprüfen. Die jährlichen Zuflüsse in ESG-Produkte im Verhältnis zu den Gesamtzuflüssen in den ETF- und ETC-Markt stiegen von 14 % im Jahr 2019 auf ein Rekordhoch von 65 % im Jahr 2022. Das Gesamtvermögen in Aktien-ESG-ETFs stieg von 177,4 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 188,1 Milliarden Euro im Jahr 2022 und macht bereits 21,3 % des gesamten in Aktien-ETFs in Europa investierten Vermögens aus.
Grüner Anstrich
Neben den ethischen Gründen für Investitionen in Fonds, die einen ökologischen und sozialen Nutzen bieten, stellt sich die Frage, ob nachhaltiges Investieren auch finanziell sinnvoll ist. Liefern nachhaltige ESG-Fonds höhere Renditen als herkömmliche Fonds?
Wenn wir europäische und US-amerikanische Untersuchungen betrachten, wird deutlich, dass es eine positive Korrelation zwischen hohen ESG-Werten (die für sehr nachhaltige Unternehmen stehen) und der finanziellen Rendite gibt. Diese Korrelation scheint über die Zeit hinweg stabil zu sein und erstreckt sich über verschiedene Branchen und Regionen. Die bisherigen Erkenntnisse sind also ermutigend, und Unternehmen mit einem hohen Nachhaltigkeitsprofil schneiden in der Regel auch gut ab. Um jedoch auch die andere Seite der Medaille zu betrachten, gibt es einen Fonds (Vitium Global Fund), der seine Investitionen auf „Laster-Branchen“ ausrichtet. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um sozial unverantwortliche und moralisch verwerfliche Investitionen, auch bekannt als „Sündenaktien“. Der Fonds investiert vorrangig in Unternehmen, die den Großteil ihrer Einnahmen aus den Bereichen Alkohol, Tabak, Glücksspiel und Verteidigung generieren. Interessanterweise hat sich auch dieser Fonds in den letzten Jahren gut entwickelt.
Jemand, der nicht in diese Aktien investieren möchte, könnte annehmen, dass nachhaltige Fonds Sektoren wie Kraftstoffe und andere kontroverse Bereiche wie Waffen, alkoholische Getränke und Tabak vollständig ausschließen. Es mag überraschend sein, dass fast alle nachhaltigen Fonds keine strikten sektoralen Ausschlüsse vornehmen. Betrachten wir den Dow-Jones-Sustainability-World-Index, der von vielen als der Maßstab für die Erfassung der Nachhaltigkeit von Unternehmen angesehen wird. In diesem Index finden wir beispielsweise British American Tobacco. Ein weiteres Beispiel ist der SRI European Stock Fund (Vanguard), ein sogenannter „grüner“ Fonds, der einen Teil seines Vermögens in Öl- und Gasaktien investiert. Hierbei können Anleger durch Marketing-materialien in die Irre geführt werden. Ebenso kann der Vanguard's-FTSE-Social-Index-Fund genannt werden, der Unternehmen wie Tesla beinhaltet. Tesla wird oft als führend im Bereich der Elektroautos betrachtet. Dennoch war das Unternehmen bis vor kurzem heftiger Kritik, aufgrund seiner möglichen Beteiligung am Handel und der Zahlung mit Bitcoin, ausgesetzt. Dies deshalb, da Bitcoin enormen Energieverbrauch verursacht (es wird geschätzt, dass die Bitcoin-Produktion jährlich zwischen 22 und 22,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid erzeugt).
Anleger bekommen nicht, was sie wollen
Die Themen Klimawandel und globale Erwärmung gewinnen zunehmend an Bedeutung, beschäftigen immer mehr Menschen und die Akteure auf den Finanz- und Kapitalmärkten bemühen sich, ihren Beitrag zu einem umweltfreundlicheren Planeten zu leisten. Es ist sicherlich anzunehmen, dass viele Investoren bereit wären, einen gewissen Renditeverlust hinzunehmen, um in nachhaltige Anlagen zu investieren und Gutes zu bewirken. Dennoch können Anleger nicht immer sicher sein, dass ihre ESG-Fonds die beabsichtigte Wirkung erzielen. Zudem besteht trotz der jüngsten starken Renditen nachhaltiger Investitionen keine Garantie dafür, dass die zukünftige Performance mit den breiten Indizes mithalten wird.
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