Der unfertige Elbtower ragt wie eine unvollendete Mahnung in den Hamburger Himmel. Seit mehr als einem Monat liegt die Großbaustelle still. Das Bauunternehmen Lupp hat die Arbeiten eingestellt, da der Projektentwickler Signa aufgrund ausstehender Zahlungen in Verzug geraten ist. Spätestens seit die Holding des österreichischen Immobilieninvestors René Benko am Mittwoch Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet hatte ist unklar, ob das fast eine Milliarde Euro teure Gebäude, entworfen vom renommierten Architekten David Chipperfield, jemals fertiggestellt wird. Die wirtschaftliche Rentabilität steht dabei besonders infrage, da bisher nur etwa 40 Prozent der Flächen vermietet sind.
Viele Fragezeichen
Je genauer die Beteiligten in Hamburg das Projekt untersuchen, desto mehr Fragezeichen tauchen auf, insbesondere im Hinblick auf den Hauptmieter. Das Handelsblatt hat den Fall nachrecherchiert: Im März 2022 hatte die Behörde für Stadtentwicklung die Baugenehmigung für den Elbtower erteilt. Die Hamburger Bürgerschaft hatte jedoch eine Bedingung gestellt: eine Vorvermietungsquote von 30 Prozent. Signa schien dies nur mit einem raffinierten Trick erreicht zu haben. Der Öffentlichkeit wurde die Hamburg Commercial Bank (HCoB) als erster Mieter präsentiert. Die Nachfolgerin der einst staatlichen HSH Nordbank soll ab 2025 großzügige 11.000 Quadratmeter im Elbtower anmieten. Warum brauchte die HCoB neue Räumlichkeiten?
Weil sie kurz vor der Zusage für den Elbtower ihre alte Zentrale am Gerhart-Hauptmann-Platz an René Benkos Unternehmen Signa verkaufte. Dabei erhielt sie offenbar äußerst vorteilhafte Konditionen. Laut Recherchen der Wochenzeitung „Die Zeit“ zahlte Signa 220 Millionen Euro für das Bankgebäude. Der Preis pro Quadratmeter betrug demnach 7333 Euro. Signa wird zudem mindestens 2000 Euro pro Quadratmeter aufwenden müssen, um die Flächen zu modernisieren. Die HCoB bezeichnete ihren alten Standort beim Verkauf als „technisch nicht mehr zeitgemäß“, unter anderem, weil er die „heutigen Anforderungen an ein nachhaltiges Energiemanagement nicht erfüllt“. Heike Sudmann, die für die Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft sitzt, spricht von „horrenden Zahlen“, die im Umfeld des Elbtower-Deals eine Rolle spielten. Praktisch für die HCoB: Zur Finanzierung des Deals lieh sie der Signa 166 Millionen Euro.
Nicht nachvollziehbares Geschäft
Insgesamt hat die HCoB damit rund um den Elbtower drei Verträge mit Signa-Firmen geschlossen: einen sogenannten Sale-and-Lease-Back-Vertrag über die alte Konzernzentrale samt Einkaufspassage, einen Kreditvertrag über die Finanzierung des Deals und den Vormietvertrag für den Elbtower. Die ehemalige Landesbank will mit Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht über die Vertragsinhalte sprechen. Signa ließ alle Fragen dazu unbeantwortet. In der Hamburger Politik mehren sich nun die Stimmen, man sei beim Elbtower von Anfang an getäuscht worden. „Dieses Geschäft ist nicht nachvollziehbar. Womöglich hat Signa einen extra hohen Kaufpreis an HCoB gezahlt und damit die künftige Miete faktisch vorausbezahlt“, sagt Markus Schreiber. Der SPD-Politiker ist Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und sitzt im Haushaltsausschuss. Schreiber vermutet, dass Signa trickste, um die geforderte Vorvermietungsquote zu erreichen.
Schreiber hat grundsätzliche Bedenken an der Rentabilität des Elbtowers. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich genügend Mieter finden werden, die bereit sind, Quadratmeterpreise von 30 Euro oder mehr zu bezahlen. Zumal es sich nicht um eine Toplage handelt“, sagt der Politiker. Ein Makler, der den Hamburger Markt für Gewerbeimmobilien gut kennt, weist darauf hin, dass auch in sehr guten Lagen in der Altstadt oder der Hafencity Büros für 25 bis 35 Euro zu haben sind.
Hoffen auf Klaus-Michael Kühne
Zusätzliches Problem: Eine Nutzung zu Wohnzwecken kommt wegen der Lärmbelastung durch den Hamburger Hafen nicht infrage. In Hamburg hofft man nun auf den reichsten Hanseaten, auch wenn er seit Langem in der Schweiz lebt: Klaus-Michael Kühne. Der Milliardär ist mit zehn Prozent an der Immobilien-Beteiligungsfirma Signa Prime Selection beteiligt und gilt dort als zweitgrößter Anteilseigner. Das Szenario: Schon bald könnte die Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG in die Insolvenz rutschen, schließlich warten Baufirmen und Handwerker seit Monaten auf ihr Geld. Im Falle einer Pleite hat Hamburg ein Rückkaufsrecht. Womöglich könnte dann Kühne von der Stadt kaufen. Ob es dazu kommt, ist offen. Kühne ist als gewiefter Geschäftsmann bekannt. Er wird genau abwägen, ob sich die Investition in ein Bürohaus rechnet, das von Kennern schon als Problem-Immobilie bezeichnet wird.
Olaz Scholz’s Vermächtnis
Verkalkuliert hat sich der Bundeskanzler: Der Vertrag mit Benko war das letzte Projekt, das Olaf Scholz (SPD) als Erster Bürgermeister Hamburgs auf den Weg brachte. Auf der Titelseite des „Hamburger Abendblatts“ stand am 9. Februar 2018: „Der Elbtower – das Vermächtnis des Olaf Scholz“. Die Lokalzeitung beschrieb, wie sehr sich der Bürgermeister für den Elbtower eingesetzt hatte. Scholz selbst sagte: „Wir haben uns für einen Investor mit einer hohen Bonität entschieden.“ Sein Wunsch, wenn das Gebäude einmal steht: „Die Menschen sollen sagen: Das hat Olaf Scholz gut gemacht.“
Die Immo-Projekte der Signa-Holding in Deutschland
Wieviele Immobilienprojekte der Signa Holding derzeit im Laufen sind, zeigt folgende Aufstellung. Einige davon finden sich im Baustopp, wieder andere im Planungsstopp:
- Schönhauser Allee
- Tauentzienstraße 20
- P1, Passauer Straße
- Femina Palast
- Areal Ku’damm 231
- Kaufhaus Wedding Müllerstraße
- Bremsenwerk Ostkreuz
- Glance
- Kaufhaus Hermannplatz
- Parkhaus Königsallee
- Kasernenstraße 6
- Ehem. Kaufhof am Wehrhahn
- Carsch-Haus
- Hauptwache
- Karstadt-Parkhaus Brönnerstraße
- Opernplatz-Hochhaus
- Thalia Haus Kleine Rosenstraße
- Karstadt-Haupthaus Mönckebergstraße
- HCOB-Zentrale
- Elbtower
- Gänsemarkt-Passage
- Flüggerhöfe am Rödingsmarkt
- Alsterarkaden Sanierung
- Galeria Warenhaus Breite Straße
- Alte Akademie
- Hermann-Tietz-Gebäude
- Galeria am Rothkreuzplatz
- Kaufhof am Marienplatz
- Kardstadt-Gelände Nordbad
- Karstadt Areal Schützenstraße
- Ehem. Kaut-Bullinger-Haus
Quelle: Handelsblatt
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