Wie schafft es Temu, so eine rasante Expansion hinzulegen?

Die Billig-App aus China überholt wie sein Pendant Shein so manch alteingesessenes E-Commerce-Unternehmen in Rekordzeit. Was macht die Ramschplattform so erfolgreich?

Lei Chen, CEO von Pinduoduo (PDD), führt die aggressive Expansion der Billig-App Temu mit der TikTok-Strategie weltweit an. Die App, die in über 30 Ländern, darunter Deutschland und die USA, innerhalb nur eines Jahres neu aufgetaucht ist und für Furore sorgt, lockt mit extrem niedrigen Preisen und einem breiten Sortiment. So wie es aussieht will Chen, ein begnadeter Programmierer, will nicht nur den chinesischen Markt dominieren, sondern auch in westlichen Ländern Fuß fassen.

Temu's Erfolg weckt Unruhe bei etablierten Händlern und Investoren. Mit Preisen, die bis zu 80 Prozent unter denen von Amazon oder Shein liegen, setzt Temu auf eine aggressive Preisstrategie, gestützt durch Subventionierung, Druck auf Partner und einer radikal schlanken und effizienten Lieferkette. Die App, die sich hauptsächlich aber nicht nur auf Mode, Beauty und Home & Living konzentriert, hat in kürzester Zeit auch hierzulande die Nutzerzahlen etablierter Shopping-Apps wie Zalando oder H&M überholt, heißt es in einem Bericht des manager magazins.

Aggressive Preise, aggressives Marketing

Chens Strategie beinhaltet eine schlanke Lieferkette, direkte Lieferung aus chinesischen Fabriken und eine hohe Personalisierung der Shopping-Erlebnisse. Fulminante Marketingschlachten (ständig neue, aufblinkende Rabatte, Streichpreise) und Ramschpreise dominieren das Geschehen. Der Slogan der App: „Shopping like a billionaire“. Allerdings verbrennt die aggressive Preispolitik von Temu enormes Kapital – Analysten schätzen ein Minus von über 3,5 Milliarden US-Dollar für 2023. Die Konkurrenz in China ist bereits aktiv, mit Shein und Bytedance, dem Unternehmen hinter TikTok, die Temu Paroli bieten.

Die Wachstumsstrategie ist im Prinzip dieselbe wie bei TikTok. Teuer erkauftes, schnelles Wachstum. Es bringt dem Händler gerade am Anfang ganz schnell ganz viele Daten, mit denen die künstliche Intelligenz ihrer Algorithmen trainiert werden.

Mindere Qualität und Tricks mit dem Zoll

Die Expansion von Temu ruft Bedenken hervor, insbesondere hinsichtlich der Qualität und Sicherheit der Produkte. Es werde Ramsch angeboten, zu Dauerniedrigpreisen, die kein Mitbewerber aus Europa so billig anbieten könne, heißt es aus der Branche. Deutsche Händler fordern eine Plattformhaftung und strengere Kontrollen, während Regulierungsbehörden in den USA die Marktpräsenz von Apps wie Temu und Shein kritisch betrachten. In Europa könnte eine geplante Zollreform die bisherige Praxis beeinflussen. Diese wird allerdings erst ab 2028 greifen. Bis dato versucht Temu den Warenwert der nach Deutschland verschickten Pakete unter 150 Euro zu halten, um sich die Zollgebühren zu sparen. Wenn nötig, werden Sendungen mitunter auf verschiedene Pakete aufgeteilt.

Veritable Gefahr für klassische E-Commerce-Seiten?

Temu's rasche globale Expansion könnte eine zeitlich begrenzte Strategie sein, um das Risiko in einzelnen Ländern zu minimieren. Die Zukunft von Temu hängt auch von der Weiterentwicklung des Angebots ab und davon, ob die App in der Lage ist, Qualität zu liefern. Etablierte Händler müssen sich auf die Herausforderung einstellen und sich möglicherweise anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Klassische E-Commerce-Plattformen wie Amazon und Zalando sind grundsätzlich suchbasiert. Bei Temu, und auch seinem Pendant Shein funktioniert das Konzept eher auf der Entdeckung der Ware. Zudem werden etwa Bildersuchen nach Produkten ermöglicht. Ähnlich wie TikTok zeigt Temu eine endlose Reihe von Dingen, die User:innen kaufen könnten.

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV